Haus Mayer-Kuckuk: Die Vergangenheit der Utopie

Montag war Baubeginn, am Samstag konnte der Bauherr, ein Bonner Professor für theoretische Physik, sein Wohnhaus beziehen. Ganze fünf Tage dauerte es, bis Haus Mayer-Kuckuk in Bad Honnef Mitte 1967 fertig installiert war: ein lang gestreckter Baukörper von rund 20 Metern Länge und circa 240 Quadratmetern Wohnfläche; eine Hälfte zweistöckig mit Schlafzimmern im Obergeschoss, die andere Hälfte ein über die gesamte Höhe von ca. fünf Metern reichender Raum für die Gäste; eine Wendeltreppe in der Mitte führte ins Obergeschoss.

22. Februar 2017von Dr. Frank Maier-Solgk

Die Fassaden waren für heutige Verhältnisse reichlich dünn und bestanden nur aus vorgefertigten Span- bzw. Eternitplatten; das nach Außen sichtbare Traggerüst dagegen bildeten Holzleimstützen, die auf schmalen Stahlstiften aufsaßen, die wiederum in kleinen quadratischen Betonplatten (30x30cm) ihr Fundament besaßen. Eine Unterkellerung gab es nicht. „Es ging darum, billig zu bauen“, sagt Wolfgang Döring, „kein spezieller Stil“ war geplant, „die Form ergab sich lediglich aus der Konstruktion“.

Auch die funktionalistischste Bauweise besitzt ihre eigene Ästhetik. Ein Blickfang bis heute bei Haus Kuckuk ist die seitliche Versteifung des Gerüstes, die statt großer Dübel aus markanten dreieckigen Spanplatten besteht, die die Stützen mit den horizontalen Balken verbanden. Dass das Ganze alsbald zu einem damals viel besprochenen Versuch industriellen Bauens wurde (das Modell des Hauses steht heute im Frankfurter Architekturmuseum), darüber hinaus zum Symbol für Experimentierfreude und die technikbegeisterte Aufbruchszeit der 1960er Jahre, so sind dies Aspekte einer Historie, über die Wolfgang Döring heute im Gespräch eher mit leichtem Schmunzeln hinweggeht. Immerhin, damals drehte die ARD einen Zehn-Minuten-Film, den die BBC übernahm; selbst in Japan konnte man am Fernseher verfolgen, wie unprätentiös, günstig und experimentell hierzulande gebaut wurde, und für den jungen in Berlin geborenen Architekten, der bei Egon Eiermann Examen gemacht und im Büro von Paul Schneider-Esleben vier Jahre gearbeitet hatte, was es der Durchbruch zu einer ebenso langen wie erfolgreichen, Theorie und Praxis verbindenden Karriere (seit vielen Jahren mit dem Büro Döring Dahmen Joeressen). 

Haus Mayer-Kuckuk, das also nun 50 Jahre alt ist, erhielt vor kurzem den alle zwei Jahre vergebenen NRW-Staatspreis für Denkmalpflege. Ende März 2017 ist die offizielle Preisvergabe. Aufwändig war vor allem die Erneuerung des Ständerwerks aus Holz, das seinerzeit aus Kostengründen gewählt wurde. Die Sanierung erfolgte durch Architekt Christian Welter (projektplus gmbh, Siegen). Lange, so Döring, habe man damals überlegt und auch Varianten mit neuen Materialien wie Plastik durchgerechnet. Obwohl schließlich die beteiligte Fertighaus-Firma das Haus in ihr Programm aufnahm, war dem Haus ökonomischer Erfolg nicht beschieden. Haus Mayer-Kuckuk blieb mehr oder weniger ein Unikat, eine Ausnahme, zumindest im Wohnbereich, in dem traditionelle Vorstellungen - Klinker, Walmdach etc. - sich am hartnäckigsten hielten. (Bezeichnenderweise war der Bauherr ein Forscher, der seinen Architekten auf einer Düsseldorfer Künstlerparty bei Günter Uecker angesprochen hatte). Die Idee der Systembauweise, des modularen Bauens, mit der Döring damals zunächst in Form von Wohntürmen experimentiert hatte, fanden mehr in anderen Bereichen Anwendung; Döring selbst setzte das Prinzip der Verwendung vorgefertigter Stahleelemente erfolgreich bei Großprojekten wie den Universitäten von Wuppertal oder Duisburg um. 

Ansonsten blieb manche andere Hoffung von damals bloßes Experiment, das in erster Linie in Ausstellungen zu Ehren kam. Zu erinnern ist an Buckminster Fullers Expo Dome-Wohnkugeln in der Montrealer Weltausstellung von 1967. Die Verbindung von Industriebau und neuem Wohnen blieb die Ausnahme. Ein seltenes Beispiel ist Haus Wabbel in Düsseldorf, Dörings nächster Versuch auf diesem Feld, das aus einer 21 x 9,60 Meter großen, stützenlosen, zweiseitig verglasten Halle besteht, die von einem Trapezblech bedeckt wird und mit Schiebewandelementen und rot lackierten Stahlelementen immer noch frisch wirkt.

Im Rückblick scheint Döring gegenüber jenen Jahren nicht ohne Skepsis. Sie hat zu tun mit der späteren Tendenz zu Standardisierung, bei der die Orientierung nur an der Rendite, ohne den Charme des Experiments, zum gesichtslosen Ärgernis verkommt. Es scheint sich zu bestätigen: Nur die frühen Wagnisse besitzen die schöne Unschuld des ersten Mals. 

Weitere Informationen

Haus Mayer-Kuckuk auf www.baukunst-nrw.de

Teilen via