Architektenkammer kritisiert mangelnde Investitionen in Baubestand
Rund 630 Millionen Mark wird das Land NRW im kommenden Jahr für Unterhaltung, Pflege und Sanierung öffentlicher Gebäude ausgeben. Das geht aus dem Haushaltsentwurf hervor, der gestern in den Landtag NRW eingebracht wurde. - "Angesichts des katastrophalen baulichen Zustands vieler Hochschulen, Kliniken und Verwaltungsbauten ist diese Summe ein Tropfen auf den heißen Stein", kritisiert Hermannjosef Beu, der Präsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen. "Es ist höchste Zeit, massiv gegen den fortschreitenden Verfall öffentlicher Gebäude vorzugehen." Nicht nur das Land, sondern auch Städte und Gemeinden seien in der Pflicht, den (Wert-)Erhalt der Gebäude der öffentlichen Hand sicherzustellen. Insbesondere der Zustand vieler Schulen und Kindergärten sei besorgniserregend. "Jede Mark, die heute fälschlicherweise gespart wird, müssen wir morgen doppelt und dreifach investieren", warnt der Präsident der Architektenkammer.
Undichte Dächer, defekte Fenster, Schimmel im Mauerwerk und ineffiziente Heizanlagen: In jeder größeren nordrhein-westfälischen Stadt und auch in vielen kleinen Kommunen finden sich Bauten der öffentlichen Hand, die in Folge mangelnder Unterhaltung erhebliche Schäden aufweisen. Allein für die Gebäude des Landes, so räumte NRW-Bauminister Dr. Michael Vesper ein, bestehe ein Investitionsbedarf von schätzungsweise sechs Milliarden Mark: "Der Sanierungsstau ist erheblich." Nach Ansicht der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen muss hier dringend gehandelt werden. "Es kann nicht hingenommen werden, dass öffentliches Eigentum einfach verfällt", erklärt Hermannjosef Beu, Präsident der Architektenkammer. Auch angesichts knapper Kassen stünden Land und Kommunen als öffentliche Bauherren und Eigentümer in einer besonderen Verantwortung: "Es geht nicht nur um die Nutzbarkeit von Schulen, Krankenhäusern und Altenheimen, sondern um die Qualität unserer Städte und Gemeinden", so Hermannjosef Beu.Betroffen von dem Investitionsstau ist nicht nur das Land. Auch Städte und Gemeinden sahen sich Anfang der 90er Jahre gezwungen, die notwendigen Investitionen in ihre Gebäude und Liegenschaften drastisch zu kürzen. Floss 1990 noch jede zehnte Mark, die die Kommunen investierten, in den Bausektor (Anteil der kommunalen Bauausgaben an den Gesamtausgaben: 9,5 %), so ist es heute nur noch jede zwanzigste (Quote 1998: 5,8 %). Eine Umfrage in verschiedenen Regionen des Landes zeigt: Es handelt sich um ein Problem, das überall in NRW gravierende Folgen nach sich zieht.
Köln. Die größte Stadt in Nordrhein-Westfalen beziffert den Investitionsbedarf für die Sanierung und Unterhaltung ihrer Gebäude auf knapp eine Milliarde Mark. Aufgebracht wurden in den vergangenen Jahren aber nur rund 80 Millionen Mark per annum. Ein Großteil dieser Gelder floss in die Sanierung der Kölner Schulen.
Aachen. 14 Millionen Mark stehen im Haushaltsjahr 2001 und 2002 jeweils für die Gebäude-Pflege zur Verfügung. Notwendig wären nach Einschätzung der Verwaltung mindestens 20 Millionen.
Münster. Obwohl die städtischen Gebäude insgesamt in einem guten Zustand sind, wird auch hier ein erheblicher Investitionsbedarf diagnostiziert: 100 bis 150 Mio. DM müssten in den kommenden fünf Jahren zusätzlich zu den veranschlagten 20 Mio. DM/a aufgebracht werden, um einen akzeptablen baulichen Standard sicherzustellen.
Bielefeld. Auch in der Leinestadt stellen die Schulgebäude aus den 60er und 70er Jahren eine schwere Hypothek dar. Die im Haushalt vorgesehenen Mittel decken - so die Verwaltung - allenfalls die Hälfte der notwendigen Investitionen.
Siegen. Die Kreisstadt geht von einem Sanierungsbedarf in Höhe von insgesamt 40 Millionen Mark aus, die Hälfte dieser Summe entfällt auf die Schulen der Stadt. Viele Schäden, so klagen die Mitarbeiter der Verwaltung, seien nicht nur auf das Alter der Gebäude, sondern in erster Linie auf "minimalistische Unterhaltung in den vergangenen zehn Jahren" zurückzuführen.
Die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen richtet den dringenden Appell an die Verantwortlichen in Kommunen und beim Land, die Investitionen in den öffentlichen Bausektor wieder deutlich anzuheben. Alle Einsparungen, die sich durch neue Organisationsformen der Bauverwaltungen in NRW erzielen ließen, müssten unmittelbar in die Sanierung des Bestands fließen, meint Kammerpräsident Beu. "Oberste Priorität beim neuen Bau- und Liegenschaftsmanagement des Landes und bei den kommunalen Ämtern für Gebäudewirtschaft darf nicht das Sparen, sondern muss das Sanieren werden!"
Auch für die nordrhein-westfälische Bauwirtschaft, die sich in einer dauerhaften konjunkturellen Flaute befindet, wäre ein solches Instandsetzungsprogramm der öffentlichen Hand ein wichtiges Signal.
Teilen via