Bauhaus im Westen? – Gespräch des „Aachen Fenster“

Die Ausstellung „Neues Bauen im Westen“ der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen hat im Jubiläumsjahr des Bauhauses 2019 einen wichtigen Beitrag zur Diskussion geleistet, indem sie die Rolle des Westens für die Rezeption der Avantgarde über die Zeit hinweg untersucht hat. Leider konnte die als siebte und final geplante Station Aachen der Ausstellung pandemiebedingt nicht realisiert werden. Stattdessen diskutierte nun der Aachener Verleger und Architekturhistoriker Björn Schötten am 19. Februar 2021 mit Prof. Thorsten Scheer, dem Kurator der AKNW-Ausstellung, über die Rezeption des Bauhauses und seine Aktualität. Eine Veranstaltung des Baukulturvereins „Aachen Fenster“.

26. Februar 2021von Christof Rose

Der Vorsitzende des Aachener Fensters, Hans-Dieter Collinet, erinnerte in seiner Einführung an die besondere Bedeutung verschiedener Standorte im heutigen Nordrhein-Westfalen für die Entstehungsgeschichte des Bauhauses - mit Aachen als Geburtsstadt von Mies van der Rohe.

Der Ausstellungskurator Prof. Thorsten Scheer verwies zur Einleitung auf die kontinuierlichen Aneignungsprozesse, die das Bauhaus „man möchte fast sagen: erlitten hat“. Dies habe schon in der aktiven Zeit des Bauhauses in der Weimarer Zeit begonnen und sei bis heute so weitergegangen. „Es gibt nicht das eine Bauhaus, sondern nur vielfältige Rezeptionen und Interpretationen dieser Gestaltungsschule“, unterstrich Scheer.

Der Architekturhistoriker erläuterte, dass das Bauhaus bei uns im Westen in seiner aktiven Zeit keine große Rolle gespielt habe. Die Moderne sei an Rhein und Ruhr stärker durch die rationalistische Industriearchitektur sowie die Kirchenarchitektur eines Rudolf Schwarz geprägt, dessen Kirche Fronleichnam in Aachen verdeutliche, dass es Schwarz nicht um Rationalismus oder eine ästhetisierte Formensprache gegangen sei, sondern um ein transzendentes Glaubenserlebnis des Individuums. Entsprechend habe sich Schwarz Zeit seines Lebens dagegen verwahrt, als Bauhaus-Architekt subsumiert zu werden.

Auch ein Architekt wie Emil Farenkamp sei nicht dem Bauhaus zuzurechnen. Wie auch Wilhelm Kreis habe sich Farenkamp als unpolitisch verstanden; als Architekt, der auf die Erwartungen seiner Auftraggeber reagierte. Dies lasse sich im Werk jeweils ablesen. Weiße Großbauten von Farenkamp interpretierte Prof. Scheer eher aus Ausdruck einer Reaktion auf die damalige Nachfrage des Marktes. Das Mandat von Gropius und seinen Mitstreitern dagegen sei eindeutig das Streben nach Funktionserfüllung und nach einer abgrenzenden Architektursprache gewesen, resümierte der Architekturhistoriker Scheer. Nach dem Zweiten Weltkrieg hätten die Menschen dann die „Altbauarchitektur“ der Jahrhundertwende abgele hnt und Neues gewünscht.

An dieser Stelle habe sich die Bezugnahme auf das Bauhaus und den in der Ausstellung „The International Style“ von Johnson und Hitchcock geprägten Architekturstil als anschlussfähig erwiesen, bilanzierte Gesprächsleiter und Architekturhistoriker Björn Schötten. Vor diesem Hintergrund sei auch heute wieder der Bezug auf das Bauhaus durch die Europäische Union mit dem Ziel einer klimagerechten Architektur und dem Green Deal durchaus passend. „Gropius hätte sicherlich die Ökologie als Faktor für Architektur einbezogen, wenn es damals ein Thema gewesen wäre.“

 

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