Blickpunkt: Übergabe im Mehrgenerationenbüro

Sicher arbeiten in nahezu jedem Büro Menschen verschiedenen Alters, durchaus mit so großem Unterschied, dass man von Generationen sprechen kann. Im Mehrgenerationenbüro ist dies allerdings nicht zufällig so, sondern geplant: Mitarbeiter, Führungskräfte und Geschäftsleitung in unterschiedlichen Altersstufen, mit klar definierten Aufgabenbereichen sowie Qualifizierungs- und Entwicklungszielen. Das ist die Basis für den langfristigen Bestand eines Büros. Zugleich eröffnen sich vielfältige Chancen für Anpassungen an den Markt und berufliche Entwicklungen von Mitarbeitern. Und natürlich geht es auch um eine geregelte Nachfolge – mit „Eigengewächsen“ und mit Ergänzung durch Externe. Die fachliche Entwicklung der Mitarbeiter, aber auch Wirtschaftlichkeit und Rendite des Büros liegen damit im Interesse vieler Beteiligter. Der Wandel der Besitzverhältnisse kann langfristig arrangiert werden. Der Blickpunkt zeigt zwei Beispiele aus der Praxis.

19. April 2016von Edgar Haupt, aufBau Marketing und Coaching, Köln; begleitet Büros in Veränderung

Projekte, Projekte, Projekte: Ein Büro lebt von der Architektur, die dort entsteht. Damit man diese aber auch wirklich stemmen kann, hat das Management erste Priorität. Zehn bis zwölf Mitarbeiter, ein bis zwei Chefs - das ist die Größe, mit der viele Büros meinen, gut arbeiten zu können. Im Prinzip stimmt das auch. Dennoch haben viele strukturelle Probleme, mitunter enorme Reibungsverluste in der Projektabwicklung. Das größte Problem im Alltag – und auch zentrales Hindernis für eine Büronachfolge – ist die starke Inhaberzentrierung. Die Arbeitsweisen sind sehr persönlich geprägt und wenig flexibel.

Beispiel 1: KZA Koschany + Zimmer Architekten, Essen

Deshalb braucht es Strukturen und Verfahren, die nicht von bestimmten Personen abhängig sind – und damit eben auch übernahmefähig sind. Wie man es packen kann, zeigen beispielhaft KZA Koschany + Zimmer Architekten in Essen. Mit gut 60 Mitarbeiten ein großes Büro, doch durchaus typisch für die Branche.

Mehrgenerationenbüros sollten Inhaberzentrierung auflösen
Schon in der zweiten Generation, mit Höhen und Tiefen, sind natürlich über die Jahre hinweg Maßnahmen ergriffen worden, eine adäquate Organisation zu etablieren. Vieles wurde auch geschaffen, etliches jedoch „versandete“ im Alltagsgeschäft. Dann aber wurde die  Strukturentwicklung als Zukunftswerkstatt einen eigenem Projektstatus etabliert. Ziele: Routinen aufbrechen, Bewährtes weiterentwickeln, Neues lernen, Prozesse begleiten.

Büroentwicklung als Projekt
Eine Kerngruppe aus den beiden Geschäftsführern und erfahrenen Mitarbeitern fungiert seitdem als Vorreiter und Katalysator – von der Arbeitsplatzausstattung über das Prozessmanagement, die Einführung von Kommunikationsritualen bis zur CAD-Optimierung und der Etablierung einer internen KZA-Akademie. Alle Mitarbeiter sind am Entwicklungsprozess beteiligt – über die Kerngruppe und nach Bedarf in Arbeitsgruppen. Verbesserungsvorschläge werden systematisch aufgenommen und in den Alltag transferiert. Veränderung ist heute ein normaler Teil der Arbeitskultur.

Die „atmende Organisation“
KZA setzt auch in Zukunft auf die Vorteile der „guten, alten“ Bürostruktur, aber eben „modern“: Überschaubare Einheiten von zehn bis zwölf Mitarbeitern, die gemeinsam und miteinander Projekte bearbeiten, organisieren, verteilen – keine klassischen Projetteams, sondern Teams mit Projekten. Zu jedem Team gehören Entwerfer, Ausführungsplaner und Bauleiter. Die Teams agieren weitgehend eigenverantwortlich, allerdings nicht als Profit-Center, bleiben wirtschaftlich ein Unternehmen.

Flexible Planungsteams

Aktuell sind drei Planungsteams am Start. Bei Wachstum können weitere hinzukommen, bei Schrumpfung können Teams auch wieder wegfallen oder outgesourct werden. Dazu gibt es ein Team Büromanagement und das virtuelle Team Baumanagement. Die Bauleiter sind zwar grundsätzlich Teil des jeweiligen Planungsteams, werden jedoch vom Direktor Baumanagement koordiniert.

Nachwuchs fördern
Die Einheiten werden von Direktoren geführt. Diese sind beteiligt an der Führung des Büros und vertreten es mit Prokura auch nach außen. Der Titel „Direktor“ kennzeichnet die autorisierte Bürovertretung. Die Führungskräfte stammen aus dem Büro, eine sammelte zwischenzeitlich Erfahrungen in einem internationalen Konzern. Alle mussten sich auf die Stelle bewerben und in einem eigens auf KZA zugeschnittenen „Assessmentcenter“ in Sachen Führung bewähren. Durch die Einrichtung von Stellvertretern in der Teamleitung wird ein weiterer Nachwuchs an Führungskräften gefördert. Noch gibt es keine explizite Nachfolgeregelung, die Voraussetzungen sind allerdings geschaffen.

Persönliche Qualifizierungsmaßnahmen anbieten
„Teil unserer Unternehmensstrategie ist ein regelmäßiges Überprüfen unserer Strukturen und Routinen. Jetzt haben wir drei Kollegen an verantwortlicher Stelle, die das ebenfalls leben und einfordern“, beschreibt Axel Koschany den Prozess. „Zudem bringen sie wichtige eigene Impulse, etwa durch persönliche Qualifizierungsmaßnahmen. So haben wir uns Strukturen geschaffen, die sich in die Zukunft orientieren und ein Zurück nicht zulassen. Über methodische Reflektion und gezielte Kommunikation leben wir eine zeitgemäße Art der Büroführung – übrigens mit hohem Zuspruch und positivem Feedback unserer Bauherren.“

Gesamtpaket Büro verstehen
Direktorin Nina Bendler schildert das strategische Vorgehen wie folgt: „Um das Gesamtpaket Büro zu verstehen, haben wir drei alle Bereiche unter die Lupe genommen und nach unseren Stärken diese jeweils zu unserer Sache gemacht: Ich bin heute gesamtverantwortlich für Entwurf und Konzept, kümmere mich um Personalentwicklung und den Marktauftritt. Es macht Spaß zu sehen, wie die eigene Person auch von außen immer stärker mit dem Büro verknüpft wird.“

Beispiel 2: Post Welters Architekten & Stadtplaner, Dortmund
Einen strategischen Ansatz zur Weiterentwicklung des Büros wählten auch Post Welters Architekten & Stadtplaner aus Dortmund. „Ziel war eigentlich nicht, ein Unternehmen zu sein, sondern schöne und sinnvolle Gebäude zu bauen. Außerdem dachte ich, ewig Architekt zu bleiben und bräuchte über Nachfolge nicht nachzudenken“, beginnt Norbert Post sein Statement zum laufenden Nachfolgeprozess. Nach 25 Jahren Bürogeschichte und angesichts der persönlichen Lebensstufen läuteten er und Hartmut Welters Anfang 2015 den Start dazu ein.

Veränderung aus sich heraus
Mittlerweile gibt es vier Prokuristen, zwei im Bereich Architektur, einen im Bereich Städtebau und eine im Bereich Wettbewerbsmanagement. Also die Köpfe der schon seit langem bestehenden Tätigkeitsbereiche. Alle sind verdiente Mitarbeiter, haben über Jahre prägend an der Arbeitskultur des Büros mitgewirkt. Drei von ihnen sollen einmal das Büro ihr Eigen nennen. „Wir waren uns persönlich und fachlich schnell einig, gemeinsam die Geschicke des Büros steuern zu wollen. Es geht ja erst einmal nicht darum aufzuhören, vielmehr um eine sorgfältige Weiterführung. Nun Gleichberechtigte neben sich zu haben, ist gewöhnungsbedürftig und inspirierend zugleich“, so Norbert Post weiter.

Partner auf Augenhöhe

Um diese Gleichberechtigung auch rechtlich herzustellen, erfolgte im Laufe des Jahres eine Bewertung des Büros durch Eckhold Consultants aus Tönisvorst. Parallel wurde mit den Beratern ein Modell für die formale Übernahme entwickelt. Fazit: Die bestehende GmbH wird im Laufe von fünf Jahren in eine Partnergesellschaft überführt. Dazu werden GmbH-Anteile an die künftigen Gesellschafter übertragen. Mit einem Ansparmodell können durch Eigenmittel weitere Anteile erworben werden. Die jungen Partner sind von nun an am wirtschaftlichen Ergebnis beteiligt.

Mehrgenerationenbüro mit Expertise
„Unsere Aufgabe ist es, mit den Betroffenen die Weichen richtig zu stellen“, beschreibt Berater Jörg T. Eckhold sein Wirken. Es gelte, die Anforderungen des Gesellschafts- und Umwandlungsrechts zu beherrschen und insbesondere die fiskalischen Bedingungen optimal zu gestalten. „Zudem klären wir mit Übergebern und Übernehmern die persönlichen Konsequenzen einer Nachfolge. Es ist unsere Pflicht, den Menschen sprichwörtlich auf den Zahn zu fühlen, damit es keine bösen Überraschungen gibt und die Begeisterung an dem Neuen überwiegt“, so Jörg T. Eckhold.

Erbrecht mit besonderen Tücken

Und ja, es gebe natürlich auch weiterhin Büros, die in den Generationen einer Familie weitergegeben werden. „Hier braucht es besonders viel Know-How und Spitzengefühl.“ Das Erbrecht habe sein Tücken, und es drohten Steuerfallen bei Vermögensüberleitung. „Familiäre Verstrickungen bergen außerdem enormes Konfliktpotential“, berichtet Jörg T. Eckhold. Er rät in jedem Falle, Unterstützung von extern in Anspruch zu nehmen. Was Norbert Post gerne bestätigt: „Auch wenn wir freundschaftlich verbunden sind, geht man vermeintlich unangenehmen Fragen doch zu lange aus dem Weg. Experten von außen haben es da leichter. Heute haben wir Klarheit. Wir können uns in die Augen sehen und haben unseren Weg in eine hoffentlich gewinnbringende Zukunft geregelt.“

 

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