NRW als Partner des neuen „European Garden Heritage Network“

Europäisches Projekt zum gartenkulturellen Erbe

Das gartenkulturelle Erbe in Nordwesteuropa erhält in den kommenden drei Jahren eine umfangreiche Förderung durch die Europäische Union. Seit Ende 2003 unterstützt das „Interreg IIIB“-Programm der EU ein Projekt, in dem unter dem Titel „European Garden Heritage Network“ neun Partner aus Deutschland, England und Frankreich das Thema "Gärten und Parks" nachhaltig fruchtbar zu machen suchen.

11. Dezember 2003von Frank Maier-Solgk

Was bedeuten uns heute unsere Gärten und Parks? Die berühmteren unter ihnen - vom prachtvoll-barocken Versailles bis zu den malerischen englischen Anlagen von Wörlitz – sind als populäre Attraktionen der Kulturgeschichte anerkannt und schon lange Publikumsmagneten ersten Ranges. Auch die Gartenschauen unserer Tage können sich gemeinhin über einen Mangel an Besuchern nicht beklagen. Und die Gärten und Parks innerhalb unserer Städte? Sie sind als Refugien, als Orte zum Luftholen in ihrem Wert ohnehin unbestritten: München ohne den Englischen Garten, London ohne den Hydepark, New York ohne den Central Park – undenkbar. Dennoch wurden aufs Ganze gesehen der Wert und die Bedeutung von Parks und Gärten in der Vergangenheit oft nicht genügend erkannt. Neben den bekannten Garten-Highlights ist die überwiegende Zahl durchaus sehenswerter Gärten einem breiteren Publikum kaum bekannt. Es gibt wenige und oft nur schwer zugängliche Informationen über einzelne Anlagen, der Zugang zu ihnen ist zumal für den nicht mit den Regionen vertrauten Besucher oft schwer zu finden. Und der Politik war der Beitrag von Gärten und Parks zu einer nachhaltigen Regionalpolitik oft nicht bewusst.

Gärten und Kulturlandschaften

In jüngster Zeit scheint eine Wende gekommen. Gerade in NRW haben Projekte wie die IBA Emscher Park, die seit 2000 durchgeführten "Regionalen", die Gartenlandschaft Ostwestfalen-Lippe und zuletzt die dezentrale Landesgartenschau bewiesen, wie groß das Potential in vieler Hinsicht ist. Gerade die Beispiele in Nordrhein-Westfalen haben gezeigt, dass Gärten und Parks neben ihrem kulturhistorischen und städtebaulichen Wert erhebliches entwicklungspolitisches Potential für die jeweiligen Regionen zu bieten haben – im touristischen bzw. ökonomischen Sinn ebenso wie im Sinn der Imagebildung und Profilierung der Regionen. Gärten können einer Region einen unverwechselbaren Charakter und ein klarer konturiertes Profil geben.

Förderprojekt der EU gestartet

Überlegungen dieser Art standen am Beginn eines Projektantrags, der in den vergangenen Jahren entwickelt und vor kurzem von der EU im Rahmen des regionalen Entwicklungsfonds genehmigt wurde. Ausgangspunkt war ein 2001 am Institut für Raumplanung der Universität Dortmund von den Planern Christian Grüssen und Ingelore Pohl erarbeitetes Konzept zum Thema ‚Europäische Gartenrouten’. Beginnend mit September 2003 erhält ein von neun Partnern in Deutschland, England und Frankreich getragenes Projekt zur Förderung des gartenkulturellen Erbes in Nordwest-Europa eine Unterstützung. Das Gesamtbudget des anteilig von den Partnern (darunter als regionale Partner neben Schloss Dyck die Grafschaften Somerset, Surrey und Ceshire in England sowie die Region Pays de la Loire in Frankreich) finanzierten Projekts beträgt 2 726 000 €. Angelegt auf drei Jahre, werden unter der Leitung von Schloss Dyck in Jüchen bei Neuss Leitlinien, Strategien und Maßnahmen entwickelt, mit denen Gärten und Parks für die regionale Entwicklung nachhaltig genutzt werden sollen. Zielsetzungen des Projekts sind neben der Förderung des Bewusstseins für den noch immer unterschätzten Wert des gartenkulturellen Erbes vor allem die Entwicklung der Potentiale von Parks und Gärten für eine nachhaltige regionale Entwicklung unter strukturpolitischen, raumplanerischen, touristischen und ökonomischen Gesichtspunkten. Zielsetzung ist ferner der Aufbau eines europäischen Netzwerkes, das vor dem Hintergrund der reichen gartenkünstlerischen Tradition der beteiligten Regionen einen fruchtbaren Erfahrungsaustausch initiieren soll, wobei so genannte Ankergärten in den Regionen den praxisnahen Austausch und die Umsetzung neuer Konzepte unterstützen sollen. Zielgruppen sind insofern neben den Besuchern vor allem die Fachleute der einschlägigen Berufe wie auch die Politik.Definition von sechs Aktionsfeldern

In den kommenden Jahren werden die Partner des Interreg-Projekts das Thema des gartenkulturellen Erbes auf insgesamt sechs Aktionsfeldern bearbeiten, wobei der Schwerpunkt sowohl auf vergleichenden Analysen als auch auf der Erstellung von konkreten Vorschlägen und im Einzelfall auch auf der Umsetzung von einzelnen Pilotprojekten liegt.

1. Planungspolitik: Hierbei sollen Kriterien und Konzepte für eine innovative regionale Raumentwicklung erarbeitet werden, in denen Gärten und Parks stärker als bisher Berücksichtigung finden.

2. Zugänglichkeit von Parks und Gärten:
Fragen des Zugangs und der Fortbewegung innerhalb von Gärten und Parks werden hier behandelt. Einbezogen werden u.a. Fragen der Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr und die Entwicklung von Konzepten, die für spezielle, in verschiedener Weise eingeschränkte Besuchergruppen den Gartenbesuch erleichtern sollen.

3. Interpretation: Hier geht es um die bessere Vermittlung der vielfältigen ästhetischen, historischen und biologischen Qualitäten von Parks und Gärten, wobei der Ausbau des Angebots an Hintergrundwissen über Parks und Gärten zielgruppengerecht – für Experten, Laien und nicht zuletzt für Kinder – eine vordringliche Aufgabe sein wird.

4. Aus- und Weiterbildung: Neben der Untersuchung bestehender Ausbildungsangebote sollen zwei transnational ausgerichtete Ausbildungsprogramme entwickelt werden: In Kooperation mit den am Gesamtprojekt beteiligten Regionen und verschiedenen Universitäten wird die Etablierung einer gemeinsamen North-West-European-Summer School vorbereitet, die räumlich in Dyck und Somerset angesiedelt sein soll und Studenten und Absolventen der Fachgebiete Landschaftsarchitektur, Garten- und Landschaftsbau, Gartendenkmalpflege und angrenzender Bereiche eine europäisch ausgerichtete Sommerakademie anbieten wird. Ferner werden Bildungsangebote für Kinder und Jugendliche entwickelt und umgesetzt, die die Wertschätzung für den Umgang mit Gärten fördern sollen.

5. Regionale Routen: Dieses Schwerpunktthema soll dazu beitragen, Parks und Gärten als herausragende Bestandteile von Kulturlandschaften zu verstehen und touristisch entsprechend zu nutzen. Einzelne wichtige Garten- und Parkanlagen sollen als Ausgangspunkte für touristische Routen in der regionalen Kulturlandschaft verankert werden, um die Aufenthaltsdauer der Besucher im jeweiligen Gebiet zu verlängern. In NRW sollen vier regionale Gartenrouten unter den (vorläufigen) Stichworten "Gärten der kulturellen Ereignisse in Ostwestfalen-Lippe", "Gärten der Heilung mit dem Emscher Landschaftspark im Ruhrgebiet", "Bäuerliche Parklandschaft im Münsterland" und "Stile der Gartenkunst zwischen Maas und Rhein" in den kommenden Jahren in NRW etabliert werden.

6. Schließlich sollen unter dem Stichwort "Transnationale Themen" grenzüberschreitende Aspekte identifiziert werden, unter denen Parks und Gärten als zusammenhängende Routen in Nordwesteuropa auch unter touristischen Gesichtspunkten der internationalen Öffentlichkeit durch geeignete Medien vermittelt werden. Stichworte in diesem Zusammenhang sind "Gartengeschichte in Europa", "Gärten berühmter Persönlichkeiten", "Fruchtbare Gärten", "Gärten der Zukunft". Die Präsentation der Routen und Gärten, mit zahlreichen Fotos und mehrsprachigen Texten, lädt zu einer virtuellen Gartenreise durch Europa ein. Im Verlauf des Projekts sollen schließlich in den Partnerregionen Ceshire und Nordrhein-Westfalen zwei exemplarische Themenrouten vor Ort implementiert und als Bestandteil des touristischen Angebots einer Region etabliert werden.

Nachhaltige Förderung der Gartenkultur in NRW

Für NRW mit seinem vorhandenen gartenhistorischen Potenzial bedeutet die Förderung durch die EU eine weitere Unterstützung der landespolitischen Strategie, die Gartenkunst und Landschaftskultur zu einem Motor der Regional- und Tourismusentwicklung zu machen, wie dies durch die "Regionalen", die Gartenlandschaft Ostwestfalen-Lippe und das Projekt einer "Straße der Gartenkunst zwischen Rhein und Maas" bereits geschieht. Obwohl das Projekt kein Investitionsprogramm für die Anlage neuer Gärten ist, verspricht es zum Beispiel für Landschaftsarchitekten durchaus positive Auswirkungen. Der Netzwerkcharakter des Projekts ermöglicht den internationalen Austausch unter Experten verschiedener Fachrichtungen, sowohl in einzelnen Workshops als auch in Form von gemeinsamen Studien und Arbeiten. Hinzu kommt, dass NRW sich mit den Erfahrungen, die beispielsweise im Zusammenhang der IBA Emscher Park gemacht wurden, damit im Ausland in vielfältiger Weise profilieren kann. Durch die in Dyck geplante Summer School mit ihrer doppelten Zielsetzung einer Aus- und Weiterbildung sowohl von Kindern und Jugendlichen als auch von Studenten werden ferner Garten- und Landschaftsarchitektur und insbesondere das Thema Gartenpflege stärker ins Bewusstsein gerückt und konkrete Ausbildungsstellen geschaffen werden. Die stärkere Fokussierung von Gärten und Parks innerhalb regionaler Entwicklungskonzepte, wie sie in dem Projekt ebenfalls als Zielsetzung vorgesehen ist, soll schließlich für eine entsprechende zukünftige Förderung bei Verwaltung und Politik den Boden bereiten helfen.

Dr. Frank Maier-Solgk, Kommunikationsberatung, Düsseldorf.
Weitere Informationen: Jens Spanjer, Stiftung Schloss Dyck, Tel.: (0 21 82) 82 41 03; oder: Dr. Frank Maier-Solgk, Tel: (02 11) 93 04 763

Info: www.eghn.org 

 

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