Fachtagung zur partizipativen Planung: Bürger einbinden - aber wie?

Wie können Bürgerinnen und Bürger besser in Planungsprozesse eingebunden werden? Nicht erst seit „Stuttgart 21“ ist diese Frage zunehmend in den Fokus der städtebaulichen Fachdebatte gerückt. Wenn immer mehr Großprojekte an der Ablehnung der Bürger scheitern, ist es an der Zeit, das Ziel einer engeren Partizipation intensiv zu analysieren und zu diskutieren.

04. Mai 2012von Herbert Lintz/Christof Rose

Vor diesem Hintergrund lud die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen am 24. April 2012 Fachleute und die interessierte Öffentlichkeit zu einer Tagung mit dem Titel „Planungskultur in der Bürgergesellschaft“ ins Haus der Architekten ein. Mit starker Resonanz: Mehr als 150 Teilnehmer machten die Veranstaltung zu einem lebendigen Forum, in dem durchaus divergierende Auffassungen zu vernehmen waren. 

„Wie kommen wir von einer Ablehnungsbeteiligung zu einer Gestaltungsbeteiligung?“ Mit dieser Frage brachte die Moderatorin der Fachtagung, Elke Frauns aus Münster, die Zielrichtung der Veranstaltung auf den Punkt. Denn sowohl die Politik als auch die Planung stünden heute zunehmend vor dem Problem, dass das Engagement von Bürgern defensiv ausgerichtet sei. 

Planungsrecht überfordert viele Bürger

Das Planungsrecht gebe zwar feste Wege zur Information und Einbindung der Bürgerinnen und Bürger vor, erläuterte der Bielefelder Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Dr. Claas Birkemeyer. „In der Praxis gleicht das aber nicht selten einem reinen ‚Abarbeiten‘ der Bürgerinteressen, geleitet vom Blick auf das Werben von Unternehmen und Investoren.“ 

Auch reichten nach seiner Einschätzung das „ortsübliche Bekanntmachen“ von Planungsvorhabenheute nicht mehr aus, in denen primär das „Wo“ dargestellt werde, nicht aber das „Was“. Das Planungsrecht überfordere viele Bürgerinnen und Bürger. Aus diesem Grund empfahl der Fachanwalt eine Modifizierung des Verfahrensrechts, die vor allem auf eine frühzeitige Information und Einbindung der Bürger abzielen solle. „Wir könnten einen ‚Planungsbeirat 2.0‘ brauchen, der alle Beteiligten zusammenführt“, spitzte Birkemeyer zu. 

Widerspruch für "Planungsbeirat 2.0"

Ein Vorschlag, der im Plenum auf Widerspruch stieß. Tenor: Solche Prozesse sind schon seit den 1970er Jahren in der Diskussion und werden auch umgesetzt. Für Prof. Markus Neppl, Partner bei ASTOC Architekten in Köln, reichen die vorhandenen Instrumente im Grundsatz aus - zumindest in den Gemeinden, in denen funktionierende Planungs- oder Gestaltungsbeiräte installiert wurden. 

„Die Planungsbeiräte erreichen in der Regel die meisten vor Ort relevanten Akteure und Gruppen“, resümierte der Vorsitzende des Gestaltungsbeirats Tübingen seine Erfahrungen aus der Praxis. Neppl warb für ein kommunal verankertes, sensibles Vorgehen. „Kontinuität statt Event, Diskurs statt Debatte, Runder Tisch statt Tribunal“ lauteten seine Stichworte und Gewichtungen, die er mit Beispielen aus Tübingen unterlegte. Planungsbeiräte seien zwar Expertengremien, die aber öffentliche Diskussionen anstoßen und inhaltlich fundieren könnten. 

Planungsbeiräte mit Mut zum Widerspruch

„Eine komplett öffentliche Diskussion von Bauprojekten können Sie vergessen“, spitzte auch Markus Neppl seine Thesen zu. Planungsbeiräte arbeiteten überall dort erfolgreich, wo sie eng mit der Politik und der Verwaltung kooperierten - ohne ihre Unabhängigkeit und den Mut zum Widerspruch aufzugeben. 

Ein etwas anderes Modell der Bürgerbeteiligung vor Ort stellte der Wiener Architekt Roland Gruber vor. Sein Büro „nonconform“ hat das Instrument einer „Ideenwerkstatt“ entwickelt und vielfach erprobt. Dabei werden - zumeist in kleinen Orten - alle interessierten Bürgerinnen und Bürger zu einem Workshop eingeladen, der innerhalb von drei Tagen von der Problemanalyse über ein kreatives Brainstorming bis zu Ideenverdichtung und ersten Ansätzen zur Umsetzung ein konkretes städtebauliches Problem angeht. 

„In den ersten eineinhalb Tagen liegt der Schwerpunkt für uns Fachleute darauf, zuzuhören und Ideen zu sammeln“, schildert Gruber. Die Ideen gingen wirklich von den Bürgern aus, die Architekten und Stadtplaner dienten zunächst als Katalysatoren und erst in der Konkretisierungsphase als Planer. „Wichtig ist, Probleme genau zu analysieren und die Aufgabenstellung für ein konkretes Projekt exakt zu fassen.“ Nur so könnten alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf das gemeinsame Ziel verpflichtet werden; und dann träten auch Einzelinteressen gar nicht erst in den Vordergrund. 

Wettbewerbe als Beteiligungsinstrument

Eine besondere Rolle in der Diskussion der Referenten mit dem Plenum spielte das Instrument der Architektenwettbewerbe. Wie Partizipation im Wettbewerbswesen gelingen kann, erläuterte Prof. Dieter Prinz, der Vorsitzende des Fachbeirats für das Steinmüller-Gelände in Gummersbach. Das ehemalige Produktionsgelände einer Kesselschmiede liegt im Herzen der Stadt und wurde im Zuge des Strukturprogramms der „Regionale 2010“ städtebaulich entwickelt. Nach der Schließung des Geländes wurden Forderungen nach einer qualitätsvollen Neuentwicklung sehr ernst genommen. Seit 2005 führt die Stadt jährlich einen Projekttag zum Steinmüller-Gelände durch und informiert über Geschehenes und anstehende Projekte.

 Der freiraumplanerische Wettbewerb zur Entwicklung der Rahmenplanung „stadt : impuls gummersbach“ erfolgte mit intensiver Öffentlichkeitsbeteiligung sowohl in der Vor- und Nachbereitung des Wettbewerbs, als auch nach der ersten Stufe des zweistufigen Verfahrens. Die Bürger konnten die Inhalte der Auslobung diskutieren und hierzu Stellung beziehen. Die vorjurierten Arbeiten wurden in der zweiten Stufe des Verfahrens den Bürgern über eine Ausstellung unter Wahrung der Anonymität der Verfasser zur qualifizierten Bewertung gestellt. Mit den Anregungen aus diesem Schritt erfolgte dann die Jurierung in der zweiten Stufe. 

Bürger schon bei der Formulierung der Aufgabenstellung einbindung

„Durch diese Maßnahmen konnte eine hohe Akzeptanz des Wettbewerbsergebnisses in der Bürgerschaft erreicht werden, die den weiteren Entwicklungsprozess bis heute positiv begleitet“, beschrieb Prof. Prinz die Vorteile dieses umfassenden Informations- und Beteiligungskonzeptes.  Nach Einschätzung der Architektenkammer NRW ist allerdings innerhalb eines Wettbewerbs nur geringer Spielraum für ein Beteiligungsverfahren, da es sich um ein vergaberechtliches und nicht um ein planungsrechtliches Verfahren handelt. Der geeignete Zeitraum, Bürgerinnen und Bürger in diesen Prozess einzubeziehen, ist daher nicht der Vergabeprozess, sondern die Erarbeitung und Formulierung der Aufgabenstellung des Wettbewerbs.

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