Tagung der AKNW und des Bauministeriums zum gemeinschaftsorientierten Planen und Wohnen

Gemeinschaftsorientieres Planen und Wohnen: Neue Chancen - neue Wege

Immer mehr Bürger möchten beim Bauen und Wohnen neue Wege gehen. Junge Familien wollen Beruf, Kindererziehung und Haushalt mit nachbarschaftlicher Hilfe besser vereinbaren; Alleinstehende suchen nach gemeinsamen Wohnformen im Alter, und aktive Bauherren wollen ihre Wohnideen möglichst kostengünstig unter Eigenbeteiligung realisieren. Das Ministerium für Bauen und Verkehr hatte Mitte Mai gemeinsam mit der Architektenkammer NRW Architekten und Stadtplaner, Kommunalvertreter und die Wohnungswirtschaft zu einer Fachtagung ins Rheinische Industriemuseum Oberhausen eingeladen, um anhand von praktischen Beispielen die aktuellen Entwicklungen in gemeinschaftsorientierten und generationsübergreifenden Projekten zu analysieren und zu diskutieren.

20. Mai 2009von li

„Gemeinschaftsorientierte Wohnprojekte bieten große Chancen für Architekten, Wohnungswirtschaft und Kommunen. Sie schaffen Mehrwert in Form von sozialem Zusammenhalt sowie Identifikation mit dem Quartier, und sie können sogar zur Stabilisierung schwieriger Stadtteile beitragen“, erklärte Bauminister Lutz Lienenkämper vor mehr als 300 Zuhörern. Neue Wohnformen seien kein Nischenthema, sondern stießen auf ein breites Interesse bei Wohnungsunternehmen und Kommunen. Lienenkämper bezeichnete die Projekte als „wirtschaftliches und soziales Erfolgsmodell“ und rief dazu auf, von Anfang an dabei zu sein. „Gemeinschaftsorientierte Wohnprojekte erreichen in der Regel ein hohes Niveau, was ihre Funktionalität und die Architekturqualität angeht“, hob der Präsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, Hartmut Miksch, in seinem Beitrag hervor. Bis ein solches Vorhaben realisiert werden könne, seien intensive Abstimmungen über das notwendige Raumprogramm, die städtebauliche Einbindung und die Klärung vieler Detailfragen notwendig. „Aus Bauherrengemeinschaften entwickelte Projekte besitzen deshalb regelmäßig eine besondere architektonische Qualität und bieten eine besonders nachhaltige Form der Stadtentwicklung.“Das bestätigte auch der Münsteraner Stadtdirektor Hartwig Schultheiß, der in Projekten des gemeinschaftsorientierten Wohnens Impulse für die kommunale Stadtentwicklungspolitik sah. Er verwies auf die verschiedenen Angebote, mit denen bereits jetzt einzelne Kommunen in NRW Interessenten unterstützen. Aus seiner Sicht können solche Projekte ein ergänzender Baustein innerhalb der kommunalen Wohnungspolitik sein. Baubürgermeisterin Ulla Schreiber beeindruckte die Zuhörer mit der Strategie der Universitätsstadt Tübingen, gemeinschaftliche und selbstorganisierte Wohnformen zu unterstützen. Dort besteht ein breit aufgestelltes kommunales Beratungsangebot für das Zusammenspiel zwischen der Stadt und den lokalen Akteuren. Im Französischen Viertel, dem Loretto und neuerdings im Mühlenviertel zeigt die Stadt Vielfalt und soziale Mischung in städtischen Strukturen. Dabei sind Bauherrengemeinschaften längst zum Regelfall geworden. Aber auch große Wohnungsunternehmen in Nordrhein-Westfalen, wie die GAG Immobilien AG in Köln, nehmen die neuen Wohnformen in ihr Portfolio auf, wie Klaus Möhren, für das Bauen zuständiger Abteilungsleiter der Gesellschaft, berichtete. Beispiele aus Köln, Tübingen und Berlin

Auf eine lange Erfahrung mit Baugruppen nicht nur als Architekt, sondern auch als Projektentwickler und Bewohner kann Christian Schöningh zurückblicken. In Berlin hat er mehrere Baugruppenobjekte realisiert und ein Netzwerk mit weiteren Architekten initiiert. Das „Netzwerk Berliner Baugruppenarchitekten“ hat sich zum Ziel gesetzt, im Austausch mit Politik und Verwaltung die Grundlagen zur Entstehung von Baugemeinschaften zu verbessern und als Architekten und Baugruppenbetreuer solche Gemeinschaften von den ersten Schritten bis zur Realisierung zu begleiten.

In den Nachmittagsforen wurden Erfahrungen der Teilnehmer ausgetauscht und diskutiert. Eine der Feststellungen lautete, dass durch die Partizipation der Beteiligten ein hoher architektonischer Innovationsfaktor entsteht - und das in der Regel zu günstigen Kosten. Je nach Projektgröße lohnt sich ein hohes Maß an Arbeitsteilung, um die Baugruppe professionell zu betreuen. Baugruppen tragen zu einer qualitätvollen Entwicklung der Wohngebiete bei, wovon auch eine Kommune profitiert. Diesen Beitrag müssen die Kommunen aufgreifen und Beratungsangebote entwickeln, ausbauen und verstetigen. Großer Bedarf, geringes Angebot

Deutlich wurde auch, dass es einen großen Bedarf für solche Wohnprojekte gibt, die der Wohnungsmarkt bislang nicht hinreichend bedienen kann. Nachfrager sind nicht nur gebildete und wohlhabende Bürger, wie vielfach behauptet, sondern breite Schichten der Bevölkerung. Wohngruppenprojekte sind damit Teil der sozialen Wohnraumversorgung. Kay Noell, zuständiger Referatsleiter im nordrhein-westfälischen Bauministerium, wies darauf hin, dass das Land die Förderung im sozialen Wohnungsbau deutlich ausgeweitet hat. Im experimentellen Wohnungsbau erfolge eine Zuschussförderung für die Moderation und Entwicklung von Wohnprojekten.

Insgesamt werteten die Teilnehmer der Foren die gemeinschaftsorientierten Wohnformen als Wiederentdeckung der Prinzipien der Großfamilie und dörflicher Nachbarschaften. Wegen der vielen Interessenten ist das Bauen für Baugemeinschaften keine Nische mehr sondern eine Chance für Architekten, Stadtplaner und innovationsfreudige Wohnungsgesellschaften. Dokumentation und Materialien zu den VorträgenDie MBV-Broschüre „Neues Wohnen mit Nachbarschaft“ mit vielen Beispielen ist als Download verfügbar unter www.mbv.nrw.de

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