Holzbau fasziniert die Branche

Nicht nur die Holzbauquote ist in Deutschland in den letzten Jahren (auf aktuell rund 22 Prozent) kontinuierlich gestiegen, sondern auch das Interesse an diesem Baustoff innerhalb der Bau- und Planungsbranche. Mit 700 Teilnehmenden war der 16. „Internationale Holzbaukongress“ am 17. und 18. Oktober in Köln „der größte Themenfachkongress in Deutschland“. Prof. Heinrich Kösler von der Technischen Hochschule Rosenheim betonte in seiner Begrüßung im Kölner Gürzenich, dass der Holzbau im deutschsprachigen Raum vor einer „Zeitenwende“ stehe.

24. Oktober 2023von Christof Rose

Auch Thomas Kämmerling von „Wald und Holz NRW“ verwies auf den starken politischen Rückenwind, welchen die Holzbaubranche derzeit erlebe. Erst in der Vorwoche hatten Bundesbauministerin Klara Geywitz und Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir die neue „Holzbauinitiative“ der Bundesregierung konkretisiert. Die Architektenkammer NRW konnte als Partnerin des Kongresses in ihrem Forum „Nachhaltigkeit in der Planung“ verdeutlichen, welche ökologischen, bautechnischen und städtebaulich reizvollen Potenziale im modernen Holzbau stecken.

Der Kongress begann allerdings mit wenig erfreulichen Ausblicken: Prof. Dr. Michael Grömling vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) diagnostizierte in seinem Branchenscan zunächst „vielfältige Störungen der globalen Produktionsprozesse“, ausgelöst von Corona-Effekten über Bruchstellen in der globalen Logistik bis hin zu Kriegen und Naturkatastrophen sowie geopolitischen Entwicklungen, die zu einem neuen Protektionismus in zentralen Märkten wie China, Russland und dem Nahen Osten. „All das trifft auf unsere weltoffene Marktwirtschaft“, führte Prof. Grömling aus. „Wir sind eine Volkswirtschaft mit einer extrem hohen Export- und Importquote.“ Deutschland sei ein weltoffenes Land. „Das ist gut, aber wir zahlen gegenwärtig auch hohe Anpassungskosten.“ Die Diskussion um „Deutschland als kranken Mann Europas“ hielt der Ökonom allerdings „für Quatsch“. Deutschland arbeite eben unter besonders erschwerten Bedingungen aufgrund seiner internationalen Verflechtungen der Volkswirtschaft.

Schlechte gesamtwirtschaftliche Lage

„Die Liste der Krisen nimmt zu, und der Glaube an positive Überraschungen nimmt ab“, fasste Michael Grömling die Stimmungslage zusammen. Seit etwa fünf Jahre laufe die Industrie nicht mehr rund. „Wir sind in der längsten Rezession seit Ende des zweiten Weltkriegs“, so Michael Grömling. Für die Bauwirtschaft gelte dies mit zeitlicher Verzögerung erst seit Ende 2020. Die Gesellschaft müsse insgesamt die Herausforderung annehmen, mit den „großen 5 D“ umzugehen: Demografie, Dekarbonisierung, Digitalisierung, Deglobalisierung und Defizite.

Landesregierung fördert Bauen mit Holz

Daniel Hartmann, Abteilungsleiter im Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes NRW, verwies auf die lange Tradition des Bauens mit Holz in vielen Teilen Europas, auch im Rheinland und Westfalen. Die ältesten erhaltenen Fachwerkhäuser in NRW datierten auf dem 15. Jahrhundert (z. B. das „Eckmänneken“ in Warburg von 1471 - das älteste datierte Fachwerkhaus in Westfalen).

Holzgebäude seien bis heute zu Recht beliebt – aus technischen Gründen, aber auch, weil sie als „ästhetischer, weicher Baustoff“ wahrgenommen würden. „Das Thema ‚Bauen mit Holz‘ ist für die Landesregierung NRW von großer Bedeutung“, unterstrich Daniel Hartmann unter Verweis auf den Koalitionsvertrag. NRW wolle zur ersten klimaneutralen Industrieregion in Europa werden. „Das bedeutet auch für die Bauwirtschaft in unserem Land eine Transformation, zu der Holz entscheidend beitragen kann.“ Holz könne CO₂-intensive Materialien ersetzen. Zudem sorge es als regionaler Baustoff für kurze Transportwege und könne nach Rückbau recycelt werden. „Wir haben über 60 Prozent unseres Fichtenvorrats in NRW verloren durch Dürre und Käferkalamität“, räumte Hartmann ein. Die Landesregierung wolle das Klimakonzept mit einer „Landeswaldstrategie“ unterlegen, die darauf abziele, neue, klimastabile Mischwälder anzulegen. Der Holzbau müsse im konstruktiven Bereich die Fichte ersetzen – etwa durch die schnellwachsende Birke oder den Paulownia-Baum (Blauglockenbaum). Die Verwendung des Baustoffes Holz werde im Rahmen der forstwirtschaftlichen Förderung sowie auch der Wohnungs- und Städtebauförderung gezielt unterstützt. „Der wertvolle Baustoff Holz muss so sorgfältig und nachhaltig wie möglich eingesetzt werden, im Sinne einer Kreislaufwirtschaft“, appellierte Daniel Hartmann an die Branche.

ESG-Kriterien umsetzen

Thomas Veith, Partner der PriceWaterhaus Beratungsgesellschaft aus Frankfurt am Main, stellte den Stand der ESG-Transformation und die Auswirkungen auf die Immobilienwirtschaft dar. „Wir stehen für 40 % des CO2-Ausstoßes, 50 % des Müllaufkommens - und verbringen 90 % unserer Lebenszeit in Gebäuden.“ Entsprechend gebe es einen ungeheuren Handlungsdruck und -zwang in Deutschland, aber noch „keine feste Checkliste“ für die ESG-Umsetzung. Die vier ESG-Grundprinzipien seien: Umwelt- und Sozialziele, Integrierter Lebenszyklusansatz, Doppelte Materialität und Hinreichende Daten. „Es handelt sich um ein individuelles Zielbild, das jedes Unternehmen für sich festlegen und gegenüber seinen Stakeholdern kommunizieren muss“, erläuterte der Volkswirt. Europa sei weltweit führend („Frontrunner“) für die Entwicklung hoher ESG-Standards.

Die Taxonomieverordnung der Europäischen Union setze auf die sechs Ziele Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, Übergang zur Kreislaufwirtschaft, Vermeidung von Umweltverschmutzung sowie den Schutz bzw. die Wiederherstellung der Biodiversität. „Noch ist nicht vorgegeben, was genau zu tun ist. Noch gibt es keine selbstregulierenden Marktpreise, die CO2-Ausstoß berücksichtigen würden“, resümierte Ökonom Veith. „Hier wird wohl eine Regulatorik greifen müssen.“

Gebäudepass mit CO2-Bilanz

Das bekräftigte auch der Präsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, Ernst Uhing, in seinem Impuls zum Forum „Nachhaltigkeit in der Planung“. Die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen unterstütze alle Bemühungen innerhalb der Architektenschaft, durch nachhaltige Planungen in den Bereichen des Hochbaus, der Stadtplanung, der Landschaftsarchitektur und der Innenarchitektur zur Absenkung der CO2-Emissionen beizutragen und resiliente Lebensräume zu gestalten, die auch in Zukunft lebenswert sind und bleiben. „Daher fordern wir auch, dass zukünftig bei jedem Neubau durch eine CO2-Bilanz in einem Gebäudepass belegt werden muss, dass das Gebäude am Ende seiner Lebenszeit möglichst klimaneutral geworden ist“, führte Architekt Uhing aus.

Der Gebäudepass werde künftig Informationen zu Baustoffen und Bauteilen mit ihren spezifischen Eigenschaften enthalten - inklusive aller Treibhausgas-Emissionen, die Herstellung, Transport und Verwendung des Baustoffes verursacht haben. Der Gebäudepass solle zugleich eine Datenbank aller Baustoffe des jeweiligen Bauwerks sein, damit im Falle von Rückbau das verwendete Baumaterial gesichert und erneut verwendet werden kann. „Dieses Konzept des ‚zirkulären Bauens‘ und des ‚Urban Mining‘ ist nur mit der Einführung eines solchen Gebäudepasses möglich“, unterstrich der Präsident der größten deutschen Architektenkammer. Nur dann könne in globalen Datenbanken nachgeschlagen werden, wo welche Baustoffe für die Weiterverwendung abrufbar sind.

 Ein konkretes Beispiel für den „Gebäudeenergiepass“ stellte Dr. Christine Lemaitre vor. Die Geschäftsführerin der DGNB stellte ein Formular vor, das sowohl für Neubauprojekte als auch für Bestandsentwicklungen verwendet werden kann, unabhängig von weiteren Zertifizierungsvorhaben. „Wir stellen fest, dass das Wissen vorhanden und die grundsätzliche Bereitschaft zum klimafreundlichen Planen und Bauen groß ist“, konstatierte Dr. Lemaitre. So habe die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen mittlerweile über 2500 Mitglieder. „Allerdings hapert es noch an der konkreten Umsetzung.“ Christine Lemaitre warb dafür, durch praktisches Tun voranzukommen. Es müsse noch nicht alles perfekt sein. Der Lernprozess schreite von Projekt zu Projekt fort.

Beispiel: Alnatura Campus Darmstadt

Ein konkretes, vielfach ausgezeichnetes Beispiel für nachhaltiges und kreislaufgerechtes Bauen stellte der Stuttgarter Architekt Martin Haas vor. Der von seinem Büro haascookzemrich.STUDIO2050 geplante und im Jahr 2017 eröffnete „Alnatura Campus“ in Darmstadt sei auf einer Militärbrache entstanden, habe vorgefundene Materialien genutzt und sei als offenes „Scheunenbauwerk“ mit Holz und Stampflehm ausgeführt worden. „So ein Projekt braucht natürlich einen engagierten und überzeugten Bauherrn, der auch experimentelle Bauweisen mitgeht“, räumte Martin Haas ein. Wichtig war ihm, für eine holistische Herangehensweise zu werben. Sich auf einzelne Baustoffe oder Gebäudetechniken zu konzentrieren, bringe wenig, wenn das Gesamtsystem nicht stimmig ist.

Blick nach Frankreich

Wenngleich der Internationale Holzbaukongress sich alljährlich auf den deutschsprachigen Raum konzentriert, konnte das AKNW-Forum „Nachhaltigkeit in der Planung“ doch den Blick auf nach Frankreich richten. Die jungen Architektinnen Marie-Sophie und Helena Schulte (schultearchitekten, Köln/Paris), die beide in Paris studiert haben, stellten ihr aktuell laufendes Projekt „JAVA à Nantes“ vor - ein Wohnungsbauvorhaben mit 69 Wohneinheiten auf der Loire-Insel in Nantes. Auch hier wird eine Konversionsfläche zur Stadterneuerung genutzt. Schultearchitekten realisieren den Bau unter Einsatz von Holz und „Hanfbeton“, ein biobasierter Verbundbaustoff, der aus Schäben der Hanfpflanze und einem kalkhaltigen Bindemittel zusammengesetzt wird und sehr gute bauphysikalische Eigenschaften für die Verwendung als Naturdämmstoff aufweist.

Helena und Marie-Sophie Schulte stellten dar, dass in Frankreich feste und zunehmend verschärfte Vorgaben für das ökologische Bauen eingeführt worden seien. So sehe die Umweltrichtline RE 2020 etwa vor, dass ab 2022 alle öffentlichen Gebäude zu 50 Prozent aus Holz oder biobasierten Materialien errichtet werden müssen.

Die lebendige Publikumsdiskussion der von AKNW-Pressesprecher moderierten Veranstaltung belegte das große Interesse und vielfach auch die Begeisterung, mit der die Architektenschaft und auch viele Ingenieur*innen das Bauen mit Holz als Chance aktiv aufgreifen.

 

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