Eine Gruppe von circa 20 Jungen Planer*innen und Kammermitgliedern kam am 2. Mai im Baukunstarchiv NRW zusammen, um mehr über das Schaffen von Heinrich Tessenow (1876-1950) zu erfahren.

Junge Planer*innen im Dialog mit Heinrich Tessenow

„Was verbinden Sie mit Tessenow?“ Diese Frage richtete Prof. Dr. Wolfgang Sonne (TU Dortmund), der wissenschaftliche Leiter des Baukunstarchivs NRW, zu Beginn einer Führung durch die aktuelle Ausstellung im Baukunstarchiv NRW an eine Gruppe von rund zwanzig interessierten jungen Planer*innen und Kammermitgliedern. Am Abend des 2. Mai erlebten die jungen Planerinnen und Planer bei einem Rundgang durch das Baukunstarchiv eine Sonderführung im Rahmen der AKNW-Kampagne „Sag JA*/Junge Planer*in“.

08. Mai 2024von Maria Jourlova-Nordmeyer

Heinrich Tessenow ist einer der wichtigsten Vertreter der deutschen Reformarchitektur. Bekannt sind vor allem seine schlichten Kleinhäuser. Der eigentliche Durchbruch gelang ihm 1911 mit dem Festspielhaus Hellerau. „Tessenow war ein moderner Architekt, der versuchte, mit den Mitteln seiner Zeit Probleme der Zeit zu lösen“, erläuterte Prof. Wolfgang Sonne. „Bei der Planung im städtebaulichen Kontext vermied Tessenow konsequent die gerade, lange Linie. Er wollte mit seiner Architektur eine Art Rhythmus in die Straße bringen“, führte Architekturhistoriker Wolfgang Sonne aus.

Tessenows Stadtideal sei die Kleinstadt mit 20.000 bis 60.000 Einwohnern gewesen. Jedoch habe er mit einigen seiner Projekte bewiesen, dass er auch für die Großstadt planen konnte - beispielsweise mit dem Verwaltungsgebäude der Reichsbank in Berlin.

Davon überzeugen kann man sich dank zahlreicher, für die Ausstellung neu angefertigter Modelle und Zeichnungen, die unter der Leitung von Prof. Martin Boesch in Zusammenarbeit mit den Studierenden der der Accademia di Architettura di Mendrisio entstanden. Auffallend bei den meisten von Tessenow geplanten Bauwerken ist ihre durchdachte Einbettung in die bestehende Umgebung. Die Gestaltung der Sächsischen Landesschule Klotzsche etwa, die als größte Internatsschule Sachsens 1925 von Tessenow geplant wurde, stellt exemplarisch die hervorragende Integration der Anlage in die Heidelandschaft. Die hügelige Landschaft fließt buchstäblich in den Gebäudekomplex hinein.
Auch bei dem Haus Böhler in Oberalpina bei St. Moritz (1916-18) versuchte Heinrich Tessenow, geometrische Grundformen so zu verändern, dass sie der besonderen Topografie eines unebenen Grundstücks entsprechen. „Tessenow wollte sich nie als Architekt in den Mittelpunkt stellen“, berichtete Prof. Sonne. Die Maxime des Architekten, der aus Rostock stammte, sei gewesen: „Das Einfache ist nicht immer das Beste, aber das Beste ist immer einfach.“

Die Ausstellung im Baukunstarchiv NRW wurde vom Schweizer Architekten und Professor Martin Boesch in jahrelanger Forschungsarbeit für die Accademia di Architettura in Mendrisio entwickelt. Durch zahlreiche Zeichnungen, Modelle, Fotografien und Bücher lässt Bösch Tessenows Werk in seiner Komplexität lebendig werden. Die Ausstellung präsentiert in thematischen Kapiteln auf zwei Ebenen sowie im Lichthof des Baukunstarchivs NRW das vielfältige Schaffen Tessenows.

Der informative Rundgang der jungen Planerinnen und Planer durch das Haus dauerte eine gute Stunde, wobei die Gruppe womöglich ein neues Bild von Tessenow bekam: Heinrich Tessenow beherrschte den großen Maßstab ebenso souverän wie den kleinen. Und war der Natur viel näher, als mancher und manche gedacht hatte.

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