Keine Öffentlichkeit ohne Raum! - Ein Kommentar von AKNW-Vizepräsidentin Susanne Crayen
Lieber Kollege,
liebe Kollegin!
Eingangskontrollen zu Stadtfesten? Security-Checks bei Betreten des Wochenmarktes? - Was bis vor kurzem noch völlig absurd geklungen hätte, wird in diesen Tagen in allen politischen Lagern intensiv diskutiert.
Dabei haben es die Demonstrationen und Kundgebungen rund um die Wahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg in den letzten Wochen erneut deutlich gemacht: Der öffentliche Raum ist für unsere Demokratie ein unverzichtbares Element, um Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit zu geben, sich zu versammeln und politisch öffentlich zu äußern. Auch die Paraden zum Christopher Street Day und kulturellen Veranstaltungen auf Straßen und Plätzen unserer Städte, die wir im Spätsommer an vielen Orten in NRW erlebt haben, zeigen: Die Gesellschaft braucht öffentliche Räume, die Kommunikation für alle ermöglichen.
Wie steht es um die öffentlichen Räume in unserem Land? Vielfach ist in jüngerer Zeit kritisch diskutiert worden, inwieweit früher für alle zugängliche Räume privatisiert und damit für bestimmte Bevölkerungsgruppen verschlossen werden. Das gilt für Einkaufszentren in gleicher Weise wie für große Wohnanlagen, deren Innenhöfe allenfalls als „halb-öffentliche Grünräume“ ausgegeben werden können. Es gilt auch für Parks und Grünanlagen, die umzäunt und mit Eintrittspreisen belegt werden.
Eine interessante Parallelentwicklung ist gegenwärtig in der Presselandschaft zu beobachten. Der Deutsche Journalistenverband hat jüngst Parteiveranstaltungen kritisiert, von denen Journalistinnen und Journalisten - angeblich aus Platzmangel - ausgeschlossen wurden. Auch wenn Konzertveranstalter keine Pressefotografen mehr zu Konzerten von Stars zulassen, die ihrerseits über ihre sozialen Medienkanäle erheblichen Einfluss auf die öffentliche Meinung nehmen, festigt sich die Tendenz, Versammlungsstätten und Orte großer Öffentlichkeit privaten oder privatwirtschaftlichen Interessen zu unterwerfen.
Wir Architektinnen und Architekten, Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten sowie Stadtplanerinnen und Stadtplaner gestalten Plätze und Grünanlagen, Versammlungsstätten und Kulturhäuser, Quartiere und Freiräume. Damit tragen wir Verantwortung dafür, diese öffentlichen Räume so zu planen, dass sie für alle Bürgerinnen und Bürger zugänglich und nutzbar sind. Das Ziel muss sein, alle sozialen Schichten und Altersgruppen im Blick zu halten. Wenn Stadtmobiliar wie Bänke, Mauern und Bushaltestellen, das ältere Menschen dringend benötigen, mancherorts als „defensive Architektur“ gestaltet werden, um sie für bestimmte Gruppen unnutzbar zu machen, ist meines Erachtens ein Punkt erreicht, der uns aufhorchen lassen muss.
Die Gestaltung unserer gebauten Umwelt ist immer auch ein gesellschaftlicher Auftrag und eine Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit. Die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen sucht das Gespräch mit vielen Partnerinnen und Partnern, um darauf zu drängen, dass bei der Weiterentwicklung öffentlicher Räume nicht allein ökonomische, sondern auch ökologische und soziale Aspekte Berücksichtigung finden.
So hat unser Vorstand beispielsweise in seiner jüngsten Sitzung beschlossen, dass wir uns in die „Internationale Gartenausstellung“ IGA27 in der Metropole Ruhr einbringen, in deren Rahmen viele öffentliche Grün- und Freiräume im Ruhrgebiet um- und neugestaltet werden. Der Bedarf an qualifizierten Kolleginnen und Kollegen in diesem Bereich ist groß. Die Architektenkammer NRW fordert deshalb mit Nachdruck die Einrichtung eines zweiten Studienstandortes für Landschaftsarchitektur und klimagerechte Freiraumgestaltung.
Öffentlichkeit braucht Raum. Als Planerinnen und Planer aller Fachrichtungen sollten wir interdisziplinär dazu beitragen, dass diese demokratische Maxime nicht von (berechtigten) Sicherheitsaspekten oder (privaten) Wirtschaftsinteressen in den Hintergrund gedrängt wird. Dafür lohnt es sich zu kämpfen!
Es grüßt Sie herzlich
Ihre
Dipl.-Ing. Susanne Crayen
Vizepräsidentin der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen
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