Kommentar: Ein Titel als Gütesiegel
Es gibt wohl kaum eine Berufsbezeichnung, die - auf einer abstrakten Ebene - so positiv besetzt ist wie der Titel „Architekt“. Darauf können wir stolz sein. Dennoch ist Vorsicht angebracht im Umgang mit dem Titel „Architekt/in“ bzw. „Innenarchitekt/in“, „Landschaftsarchitekt/in“ und „Stadtplaner/in“.
Liebe Kollegin,
lieber Kollege,
Quizfrage: Wie hieß der Architekt der Deutschen Einheit? Richtig, Helmut Kohl, und der war von seiner Profession kein Architekt, sondern Historiker und Staatswissenschaftler. Wir lesen in den Zeitungen vom „Architekten der Friedensverträge“, vom „Architekten Europas“; ja selbst Jürgen Klinsmann wurde als Bundestrainer zum Architekten ehrenhalber ernannt - „Architekt des neuen deutschen Fußballwunders“.
Es gibt wohl kaum eine Berufsbezeichnung, die - auf einer abstrakten Ebene - so positiv besetzt ist wie der Titel „Architekt“. Darauf können wir stolz sein. Die metaphorische Verwendung des geschützten Titels „Architekt“ in den genannten Zusammenhängen kann uns nur freuen, festigt sie doch das Image des Architekten als konstruktiver, durchsetzungs- und kommunikationsstarker Gestalter.
Dennoch ist Vorsicht angebracht im Umgang mit dem Titel „Architekt/in“ bzw. „Innenarchitekt/in“, „Landschaftsarchitekt/in“ und „Stadtplaner/in“. Der Gesetzgeber hat diese Berufsbezeichnungen aus gutem Grund unter den besonderen Schutz des Gesetzes gestellt. § 2 des Baukammerngesetzes NRW schreibt fest, dass den entsprechenden Titel nur führen darf, wer in die Architektenliste eingetragen ist.
Diese Regelung dient dem Schutz der Verbraucher: Architektenleistungen sind für Laien nur sehr schwer zu beurteilen; insofern soll sich der Verbraucher darauf verlassen können, dass Personen, die als Architekten am Markt auftreten, qualifiziert sind und ihre fachliche Kompetenz durch kontinuierliche Fortbildung sichern. Der Titel „Architekt“ erfüllt damit die Funktion eines Gütesiegels, das dem Verbraucher Zuverlässigkeit, Sicherheit und eine qualitätvolle Dienstleistung verspricht.
Ein Gütesiegel hat aber nur dann Bestand, wenn es nicht inflationär Verwendung findet oder durch Missbrauch entwertet wird. Hier ist eine große Sensibilität im Umgang mit Worten anzumahnen. Wenn heute im Zusammenhang mit Computernetzwerken von „Netzwerkarchitekten“ oder „Softwarearchitekten“ die Rede ist, wird der Begriff „Architekt“ - ähnlich wie in den oben genannten Beispielen - in übertragendem Sinne gebraucht. Dennoch ist meines Erachtens hier die Schwelle erreicht, an der wir innehalten und - soweit möglich - gegensteuern sollten. Denn hier besteht Verwechslungsgefahr. Die Tatsache, dass es ja tatsächlich eine Vielzahl von Berührungs- und Überschneidungspunkten zwischen Architekten und Netzwerkentwicklern gibt, kann in der Öffentlichkeit leicht dazu führen, dass letztere für Architekten gehalten werden. Zumindest besteht die Gefahr, dass unser Berufsbild, das in der Öffentlichkeit ohnehin wenig bekannt ist, in der Wahrnehmung der Bürgerinnen und Bürger weiter verwischt.
Nun können Sie fragen: Was können wir Architektinnen und Architekten dagegen tun? Ich meine, wir alle sind aufgerufen, im täglichen Umgang mit unserem geschützten Titel eine größere Sensibilität an den Tag zu legen. So stellt die Architektenkammer beispielsweise immer wieder fest, dass der Begriff „Architekt“ oder „Architektur“ in Bürobezeichnungen nicht korrekt verwendet wird. Ein anderes Beispiel: In unsere „Jobbörse“ im Internet wurde kürzlich von einem Mitglied ein Stellenangebot eingestellt, in dem ein „Architekt/Bauzeichner/Student“ für eine bestimmte Aufgabe gesucht wurde. Ich meine, auch eine solche Darstellung trägt dazu bei, die Wertigkeit des Titels „Architekt“ zu mindern.
Der Titelschutz ist ein hohes Gut, das den Architektinnen und Architekten herausgehobene Rechte einräumt. Er legt den Architekten aber zugleich auch bestimmte Pflichten auf: Die Verpflichtung, das Qualitätsversprechen gegenüber den Verbrauchern auch tatsächlich einzulösen. Und die Verpflichtung, sorgsam mit dem geschützten Titel umzugehen und uns dafür einzusetzen, dass andere dies ebenfalls tun.
In diesem Sinne grüßt Sie
Ihr
Reiner Fuest
Vizepräsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen
fuest@aknw.de
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