Kulturhauptstadt RUHR 2010

Kulturhauptstadt RUHR 2010: Bauwerke setzen Signale

„So haben Sie Ihre Metropole noch nie gesehen!“ - unter diesem Motto stellten Fritz Pleitgen und Oliver Scheytt, die Geschäftsführer der RUHR 2010, am 13. Oktober in Essen den Stand ihrer Planungen für die Kulturhauptstadt Ruhrgebiet vor. 15 Monate vor Beginn des Kulturhauptstadtjahres 2010 konnte das Duo mit Unterstützung der vier künstlerischen Direktoren im Rahmen einer ersten Pressekonferenz eine Liste von 150 Projekten präsentieren, die in den Sektoren Architektur/Städtebau, Musik, Theater, bildende Kunst und Kreativwirtschaft verankert sind. „Vernetzung ist ein zentrales Element unserer Arbeit“, erklärte Geschäftsführer Fritz Pleitgen. „Wir erfinden nicht alles neu, sondern führen zusammen, was schon da ist, und geben Impulse zu einer gezielten Weiterentwicklung.“ Die Kulturhauptstadt RUHR 2010 sei zwar nicht die größte, aber definitiv die heterogenste Kulturhaupt Europas.

15. Oktober 2008von Christof Rose

Aus der Perspektive der NRW-Architektinnen und Architekten sowie Stadtplaner ist zweifellos der von Karl-Heinz Petzinka verantwortete Bereich „Stadt der Möglichkeiten“ das spannendste Themenfeld. Petzinka machte deutlich, dass man im Ruhrgebiet nicht die Mittel habe, „eine Elbphilharmonie zu bauen“. Zentrales Thema sei für ihn eher, die wertvolle vorhandene Substanz aufzuwerten und neu in Szene zu setzen. Gemäß dem Auftrag, den die RUHR 2010 durch die Europäische Gemeinschaft erhalten habe, gehe es dabei darum, Kulturorte mit einer internationalen Ausstrahlung zu schaffen. Die Metropole Ruhr konzentriere sich nicht auf ein Großprojekt, sondern auf verschiedene Leuchttürme, welche die dezentrale Struktur der Metropole Ruhr widerspiegelten.

Duisburg leuchtet

Zwei wichtige Objekte werden im Duisburger Innenhafen entstehen: Das neue „Zentrale Landesarchiv“ wird nach einem Entwurf von Ortner + Ortner gebaut. Das Frankfurter Architekturbüro plant einen monolithisch wirkenden Turm, der mit einer Höhe von 65 Metern und in Sichtabstand zu mehreren zentralen Autobahnen einen starken Landmark-Charakter aufweisen wird. „Ich glaube, das wird ein hochemotionales Bauwerk sein, das den Duisburger Innenhafen stark prägen wird“, meinte Karl-Heinz Petzinka. Gleiches wird man von dem Aufbau auf die Küppersmühle/Sammlung Grothe erwarten können. Die Schweizer Star-Architekten Herzog & de Meuron wollen auf den massiven Quader der alten Mühle einen gläsernen, transparenten Quader legen, der weit auskragt und nachts wie eine leuchtende, über dem Hafenbecken schwebende Schatulle wirken soll. Kreativ.Quartiere im Osten

Ein drittes wichtiges Bauvorhaben findet sich am östlichen Ende des Ruhrgebiets. Auf dem früheren Gelände der Dortmunder Union-Brauerei wird, angrenzend an den Stadtwall und in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs, ein neues Kreativ-Quartier entstehen. Rund um das markante Dortmunder „U“, das zeichenhafte historische Logo der Union-Brauerei in 70 Metern Höhe, entstehen neue Baukörper, die auf 80.000 Quadratmetern u.a. Raum für Büros, Ateliers und Studios verschiedener Berufe der Kreativwirtschaft bieten.

Der weithin sichtbare Dortmunder U-Turm selbst wird zu einem Zentrum für Kunst und Kreativität umgebaut. Bereits im Jahr 2006 hatten Gerber Architekten aus Dortmund einen von drei 2. Preisen (Der 1. Preis wurde nicht vergeben.) in einem Architektenwettbewerb zur Umnutzung des U-Turms gewonnen. Im anschließenden Verhandlungsverfahren konnten sich Prof. Eckhard Gerber und sein Team mit ihrem Konzept eines Kunstmuseums im U-Turm gegen die anderen Preisträger durchsetzen. Im September 2007 begann das renommierte, international tätige Büro mit der Planung der Dach- und Fachsanierung des im Jahr 1927 errichteten Gär- und Kellereiturms der ehemaligen Union- Brauerei, bevor am 28. Januar die Bauarbeiten zur denkmalgerechten Instandsetzung der Fassade, des Dachs und des weithin sichtbaren, 1968 von Ernst Neufert entworfenen vierseitigen U-Signets starteten. Das mit Blattgold belegte, nachts hell erleuchtete U ist heute eines der Wahrzeichen Dortmunds.
Nach einer kontrovers geführten Diskussion soll der U-Turm nicht mehr wie zunächst vorgesehen ausschließlich als Kunstmuseum genutzt werden. Stattdessen bezieht die Fachhochschule Dortmund das erste Obergeschoss, während das zweite und dritte Obergeschoss zu sogenannten „Kreativetagen“ werden. Dem ursprünglichen Konzept folgend erhält das Museum am Ostwall das vierte und fünfte Obergeschoss. Das sechste Obergeschoss ist teilbar und bleibt Sonder- und Wechselausstellungen vorbehalten; hierzu wird es im Bereich des Annex mit einem neuen „Lichtdach“ ausgestattet, das die Ausstellungsräume optimal mit blendfreiem Tageslicht versorgt. Im obersten Geschoss, dem „Kathedralenraum“ direkt unter dem leuchtenden U, entsteht ein flexibel nutzbarer Veranstaltungsbereich, eine Cafélounge sowie Räume für den Kultur-Channel 2010.Das Dortmunder U wird damit zum Prototypen und Aushängeschild für eine ganze Reihe von „Kreativ.Quartieren“, die zur RUHR 2010 an den Start gehen sollen. Dieter Gorny, der im Team der Kulturhauptstadt für die „Stadt der Kreativität“ verantwortlich zeichnet, wünscht sich Wechselwirkungen zwischen Kunst, Kultur, Ökonomie und Bildung, die in diesen neuen städtischen Clustern exemplarisch sichtbar werden sollen. Bisher seien solche „Kreativ.Quartiere“ vorgesehen in Dortmund, Unna-Massen (ehemaliges Auffanglager), Bochum und Dinslaken (Zeche Lohberg). „Wir wünschen uns aber noch weitere Standorte, die das kulturelle mit dem ökonomischen Potenzial verbinden“, erläuterte  Gorny auf der Pressekonferenz in Essen. „7 Hochpunkte“ quer durchs Revier

Zu den weiteren (städte)baulichen Projekten gehören auch Vorhaben, die vor allem auf ihren zeichenhaften Charakter setzen und die als künstlerische Landmarks wahrgenommen werden sollen. So wird der denkmalgeschützte Turm der Zeche Nordstern in Gelsenkirchen, in der die Wohnungsbaugesellschaft THS ihren Sitz hat, durch einen gläsernen Aufbau zusätzliche Strahlkraft erfahren. Der Turm ist einer von „7 Hochpunkten“, die Karl-Heinz Petzinka als Landmarks von West nach Ost durch die Metropole Ruhr installieren bzw. herausstellen möchte. Die weiteren Hochpunkte: der Landschaftspark Duisburg-Nord (Hochofen), der Gasometer Oberhausen, die Halde Emscherblick mit Tetraeder in Bottrop, die Halde Schurenbach mit der „Bramme für das Ruhrgebiet“ in Altenessen, die Zeche Zollverein und schließlich das bereits erwähnt Dortmunder U als östliche Landmark. zusammenfasst. Diese „7 Hochpunkte“ sind Orte, an denen - nach Einschätzung der Macher der RUHR 2010 - für Besucher und Einheimische „die Vision einer lebenswerten Metropole erlebbar wird“.

Markante Museen

Neben dem Dortmunder U sind zwei weitere Bauwerke in der Realisierung, die anlässlich der Kulturhauptstadt 2010 der Öffentlichkeit vorgestellt werden sollen. Ein international schon jetzt viel beachtetes Projekt ist zweifellos der Neu- und Erweiterungsbau des Folkwang-Museums in Essen. Der Entwurf des Londoner Architekturbüros von David Chipperfield wird dafür sorgen, dass sich das renommierte Museum künftig auch baulich dem Volk und der Essener Innenstadt öffnen wird. „Ein grandioses Gebäude“, urteilte Berthold Beitz, der Vorsitzende der Krupp-Stiftung, die den Neubau mit 55 Millionen Euro finanziert, anlässlich des Richtfestes am 25. September 2008.Ein kompletter Museumsneubau entsteht derzeit in Hagen: das Emil-Schumacher-Museum. Der Entwurf der Mannheimer Lindemann Architekten, Ergebnis eines europaweit ausgelobten Wettbewerbs, überzeugte die Jury auch deshalb, weil er das Karl Ernst Osthaus-Museum in überzeugender Weise mit einbindet und zugleich das städtebauliche Umfeld deutlich aufwertet.

Landschaft neu gestalten

Die Projekte der RUHR 2010 beziehen auch die Landschaft insgesamt mit ein. So befassen sich mehrere Themenzyklen mit den zentralen Flussläufen; die markanteste ist dabei sich die „Passage Emschertal“. Die beeindruckende Rückführung des kanalisierten Abwasserflusses der Ruhrgebiets in einen renaturierten Flusslauf, die noch in vollem Gange ist, soll durch Kunstwerke im öffentlichen Raum („Emscher-Kunst“) und durch bauliche und künstlerische Interventionen während des Kulturhauptstadtjahres erlebbar und nachvollziehbar werden. In diesen Themenkomplex lässt sich auch das Projekt „EmscherPARKautobahn“ eingruppieren. Die A42, der „Emscherschnellweg“, soll an vielen Stellen so umgestaltet werden, dass die Grünzonen und baulichen Sehenswürdigkeiten, die sich in hoher Zahl entlang der Trassenführung aufreihen, von den Autofahrern wahrgenommen werden können. Die Autobahn soll zur „Parkerlebnisstrecke“ werden, und auch die Zufahrten werden dabei umgestaltet.

Überhaupt schenkt die RUHR 2010 dem Autoverkehr viel Aufmerksamkeit. Ein Projekt, von dem sich Geschäftsführer Fritz Pleitgen, der frühere Fernsehreporter und ARD-Vorstizende, viel mediale Aufmerksamkeit verspricht, ist die Sperrung der A40 für den Kraftfahrzeugverkehr. „Still-Leben Ruhrschnellweg“ heißt das Projekt, die A40 am 18. Juli 2010 zu einer „einzigartigen Bühne der Alltagskultur“ umzugestalten. Statt Autos fahren dann Kinderwagen über den Ruhrschnellweg, die längste Tafel der Welt wird aufgestellt, an der Anwohner und internationale Gäste Platz nehmen, um gemeinsam zu essen, zu trinken, zu sprechen und zu feiern.INFO:

Struktur und Finanzierung: „Eine Metropole im Werden...“
...nannte der Geschäftsführer der Kulturhauptstadt Ruhr 2010, Fritz Pleitgen, das Ruhrgebiet. Er bezog sich damit aber auch auf das Projekt „Kulturhauptstadt RUHR 2010“. Zwar hat man nun aus rund 3.000 Vorschlägen 150 realisierbare Projekte ausgewählt, die allesamt „anfinanziert sind“, ergänzte Geschäftsführer Oliver Scheytt. Allerdings sei man weiterhin im Gespräch mit potenziellen Sponsoren.Träger der RUHR 2010 sind das Land NRW, die Stadt Essen, der RVR und der Initiativkreis Ruhrgebiet. Auf der Pressekonferenz am 13. Oktober wurden zwei feste Hauptsponsoren vorgestellt: EON und RWE; drei weitere hätten bereits fest zugesagt. Allerdings wünsche man sich insgesamt acht bis zehn Hauptsponsorpartner. Daneben gebe es projektbezogene Sponsoren, so dass bis Anfang Oktober insgesamt 10 Millionen Euro an Drittmitteln gewonnen werden konnten.

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