Rechtsproblem des Monats: Risiko übernommen?
Vorsicht beim „Ausreizen“ baurechtlicher Möglichkeiten.
Architektin A wendet sich mit folgender Frage an die Kammer:
„Für den Bau eines Einfamilienhauses war ich mit den Leistungsphasen 1 bis 4 betraut. Mein Bauherr wollte unbedingt ein Gebäude mit Flachdach realisieren. Der B-Plan sieht dort, wie auch in den angrenzenden Wohngebieten, allerdings nur Sattel- oder Pultdächer mit detaillierten Vorgaben für Dachneigung, -einschnitte und -eindeckung vor.
Mittlerweile ist die Stadt großzügiger und erlaubt in neueren B-Plänen alternativ Flachdächer. Selbst in dem betreffenden Gebiet wurden vereinzelt zumindest Walmdächer zugelassen. Ich habe mit dem Bauherrn über das Thema gesprochen. In unserem Vertrag heißt es, Vorgespräche zu möglicherweise notwendigen Befreiungen von den Festsetzungen des B-Plans seien im Rahmen der Entwurfsleistung mit dem Bauamt zu führen, um die Genehmigungsfähigkeit der Planung sicherzustellen. Nachdem deutlich wurde, dass die Befreiung nicht zu erlangen sein wird, hat der Bauherr mir gekündigt und verweigert nun jegliche Honorarzahlung. - Das kann nicht richtig sein, denn er wusste doch um das Risiko. Oder hätte ich noch mehr tun müssen?“
Ja! Bekanntermaßen wird in den LPH 1 bis 4 eine dauerhaft genehmigungsfähige Planung geschuldet (BGH, Urteil vom 10. Februar 2011, Az.: VII ZR 8/10). Die Vertragspartner können allerdings vereinbaren, dass und in welchen Punkten der Bauherr das Risiko übernimmt, dass die zu erstellende Planung nicht genehmigungsfähig sein wird. Dies kommt etwa in Betracht, wenn sich der Bauherr bewusst über die Vorschriften des öffentlichen Baurechts hinwegsetzen oder diese an die Grenze des Möglichen „ausreizen“ will (BGH, Urteil vom 25. März 1999, Az.: VII ZR 397/97). Die Rechtsprechung legt an eine solche Vereinbarung aber strenge Kriterien an, da diese den Ausnahmefall darstellt.
Die gewählte Vertragsformulierung lässt nach Ansicht des OLG Nürnberg (Urteil vom 16. Juni 2021, Az.: 2 U 2751/19) zwar erkennen, dass der Bauherr das Risiko kannte, aber nicht, dass er dieses auch übernehmen und A von der Vertragspflicht zur Vorlage einer dauerhaft genehmigungsfähigen Planung freistellen wollte. Tatsächlich lege der Passus eher nahe, dass beide Seiten davon ausgingen, dass es zwar bauplanungsrechtliche Hürden geben würde, dass diese aber überwindbar sein würden. Daher bringe, so das Gericht, die Formulierung die Möglichkeit des Scheiterns nicht deutlich genug zum Ausdruck und lasse eher darauf schließen, dass der Planer selbst von Genehmigungsfähigkeit zumindest im Wege der Befreiung ausgegangen sei.
Eine solche Befreiungsmöglichkeit aber sei, da mit der anderen Dachform die Grundzüge der Planung berührt würden, rein tatsächlich von Anfang an nicht gegeben gewesen. Dem Bauherrn sei auch nicht zuzumuten, sein Vorhaben mit einer anderen Dachform zu realisieren, da das Objekt von vornherein als Flachdachbau in Auftrag gegeben worden sei. Folglich leide die Planung an einem nicht nachbesserungsfähigen Mangel, was den Bauherrn zur außerordentlichen Kündigung und – da die Planung damit zugleich wertlos sei – zur vollständigen Verweigerung der Honorarzahlung berechtige.
Praxistipp:
„Informieren und dokumentieren“ lautet einmal mehr die Devise. Wenn Genehmigungsrisiken erkennbar sind, müssen diese nachweislich explizit und konkret angesprochen werden. Will der Bauherr das Risiko eingehen, sollte im Vertrag oder in einer Er-gänzungsvereinbarung festgehalten werden, dass ihm das Risiko erläutert wurde, er dieses ausdrücklich übernimmt, die Architektin bzw. den Architekten insoweit von jeglicher Haftung freistellt und anerkennt, das Honorar auch zu schulden, wenn die Genehmigung wegen der besagten Punkte letztlich nicht erlangt werden kann.
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