Außenaufnahme des weißen Bungalows mit großer Fensterfront
Haus Wolfskull Nr. 10: Teil einer Siedlung am südlichen Stadtrand von Viersen - Foto: Frank Maier-Solgk

Revisited: Architekten-Bungalows - Siedlung „Wolfskull“ bei Viersen

Wie Architekten und Architektinnen ihre eigenen vier Wände entwerfen, ist eine oft gestellte Frage. Man möchte gerne dem von fremden Bauherrenwünschen befreiten architektonischen Ideal begegnen. Einige programmatische Beispiele dieser Art gibt es bekanntlich in NRW: Da ist das legendäre Haus Ungers in Köln-Müngersdorf; erinnert sei an die Wohn- und Atelierhäuser von Hans Schwippert in Düsseldorf und Harald Deilmann in Münster. Eine eindeutige Sprache spricht auch das fast ländliche Anwesen von Landschaftsarchitekt Roland Weber, ein Gemeinschaftswerk von Weber und den befreundeten Helmut Hentrich und Hans Heuser (1951); oder – aus neuerer Zeit – das von viel Grün umgebene luftig-transparente Wohnhaus von Christoph Ingenhoven am hügeligen Rand von Düsseldorf. Ein weniger bekannter Fall dürfte das Wohnhaus des 1939 in Düsseldorf geborenen Architekten Dr. Horst Schmitges sein, das dieser 1975 für sich und seine Familie in einem Waldstück zwischen Viersen und Mönchengladbach errichtete.

24. Februar 2025von Dr. Frank Maier-Solgk

Tatsächlich steht es nicht allein, sondern ist einer von fünf in einer Reihe und in nahezu gleicher Formensprache errichteten Bungalows, die durch eine weiße, geschwungene Stützmauer optisch miteinander verbunden sind. Schmitges hatte das Ensemble für eine Wohngruppe entworfen und sukzessive an deren Mitglieder verkauft. „Wolfskull“ nennt sich die versteckt gelegene Siedlung, wobei die Nr. 10, das Wohnhaus Wolfskull von Schmitges, am konsequentesten die ursprüngliche Idee verkörpert und 2015 unter Denkmalschutz gestellt wurde.

Weiß geschlämmtes Kalksandstein-Mauerwerk, durchgehende, teils als Terrasse genutzte Flachdächer, bodentiefe Fenster sowohl in den nach Süden zur Straße gerichteten Wohn- und Esszimmerbereichen als auch rückseitig, wo teils Schlafzimmer liegen, sprechen auf den ersten Blick die noch am Bauhaus und amerikanischen Vorbildern orientierte Bungalowsprache der Moderne. Nicht ganz dieser Tradition entsprechen die abgerundeten Hausecken, die auch im Inneren zu finden sind: Ein schmaler zentraler Gang in Ost-West-Richtung, der die Wohnfläche in zwei Hälften gliedert, wird durch eine hohe gerundete Aluminium-Glas-Konstruktion überdacht. Ungewöhnlich auch mehrere Zwischenwände, deren Mauerwerk durch ein Muster an hervortretenden Bausteinen eine künstlerische Note erhält. Das Haus ist zweistöckig, doch wird diese Tatsache durch den von Ost nach West verlaufenden Geländesprung kaschiert, wodurch der hintere Gebäudeteil zu einem um ein halbes Geschoss versetztes Untergeschoss wird. Eine Wendeltreppe aus weißlackiertem Metall verbindet beide Ebenen. 

All das verrät eine stark individualistische Note, wobei die überall im Haus spürbare Präsenz der bewaldeten Umgebung vielleicht am meisten beeindruckt. Sie wird dadurch verstärkt, dass der Wald an das Gebäude fast unmittelbar herantritt. Auch das Fehlen von Blumenbeeten und Zäunen zu den Nachbargrundstücken unterstreicht diese Naturnähe. Am Telefon erzählt Horst Schmitges, sein Entwurf sei nicht zuletzt von einem damaligen Griechenland-Urlaub und dem Wunsch beeinflusst, die naturnahen weißen Häuser der Ägäis an den Niederrhein zu holen.

Der heutige Bewohner von Haus Wolfskull, der Designer Thomas Leuschen, hat vor wenigen Jahren in Abstimmung mit dem Architekten eine Sanierung durchführen lassen (ein neuer Anstrich kommt noch). Mit dem weitgehend ursprünglichen Inventar stellt das Haus Wolfskull jedenfalls eine inzwischen regional bekannte architektonische Attraktion dar, die an Tagen des offenen Denkmals laut Leuschen gelegentlich schon zu wahren Besucher-
strömen geführt hat.

Die Siedlung Wolfskull gehört zu den wichtigsten Gebäuden des Architekten Schmitges, der nach dem Architekturstudium an der RWTH Aachen am dortigen Lehrstuhl für Baugeschichte und Denkmalpflege promovierte und dann zunächst mehrere Jahre im Büro Prof. Eller-Moser-Walter arbeitete. Später, mit dem 1973 gegründeten eigenen Büro in Mönchengladbach, bildeten vor allem Wohnhäuser einen Schwerpunkt seiner Arbeit. Zu den bemerkenswerteren gehören neben der Siedlung Wolfskull auch die in den frühen 1980er Jahren bezogenen Studentenwohnheime in Stuttgart-Hohenheim, die als Erdhügel- und Grasdachhäuser (zur Wärmedämmung) konzipiert wurden (Bauökologisches Konzept: Gernot Minke) – ein ungewöhnlich frühes Beispiel einer ökologischen Wohnarchitektur. 

Das Werk von Schmitges (die Werkliste umfasst mindestens 150 Projekte) wird gegenwärtig hinsichtlich einer möglichen Sammlungsaufnahme im Baukunstarchiv NRW gesichtet.

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