AKNW thematisiert neue Schulbauten in einer Ausstellung (11.11. - 09.12.04)

Zur Schulbauten-Ausstellung der AKNW: Schulen der Zukunft

Mehr als andere Gebäudetypen spiegeln Schulgebäude die Weltanschauungen ihrer Entstehungszeit wider. Die Vorkriegszeit prägten die würdevollen, mehrstöckigen Repräsentationsbauten aus den 20er Jahren mit langen Fensterreihen und Pausenhöfen, die von wehrhaften Mauern umgeben waren. Später folgten die sterilen Nachkriegsbauten, in denen vor allem der rechte Winkel herrschte und endlose Gänge eine fast militaristische Strenge vermittelten. Unübersichtliche, anonyme Mammutschulen sind bis heute keine Seltenheit, häufig genug versehen mit einer Ausstattung, die den späteren ruppigen Umgang mit ihr schon antizipierte. Immer wieder stehen Schulgebäude jedoch auch im Fokus ambitionierter pädagogischer Konzepte und sind Exempel der Überzeugung, dass sich durch Architekturformen - man denke an die Rudolf Steiners Waldorfschulen - Lernfreude und Leistungsbereitschaft von Jugendlichen fördern ließe. Anlässlich der Ausstellung „Schulen in Deutschland - Neubau und Revitalisierung“ der Wüstenrot-Stiftung, die ab dem 12. November im Haus der Architekten zu sehen ist, stellen wir aktuelle Schulprojekte aus NRW vor.

18. Oktober 2004von Frank Maier-Solgk

Fragen, inwieweit sich pädagogische Prinzipien architektonisch umsetzen lassen, ob Schulgebäude als eigenständiger Gebäudetypus noch zeitgemäß sind oder wie Unterrichtsfunktionen im Sinne einer breiteren Nutzung zum Beispiel in Form kommunaler Einrichtungen zu entwickeln wäre, haben angesichts von Pisa an Aktualität auch heute nicht verloren.  

Zeitgenössische Schulbauten waren das Thema des 5. Gestaltungspreises der Wüstenrot Stiftung, deren Ergebnisse vom 12. November bis zum 9. Dezember 2004 in der Architektenkammer NRW in der Ausstellung „Schulen in Deutschland – Neubau und Revitalisierung“ zu begutachten sind. Präsentiert wird ein weites Spektrum aktueller Lösungen, die nicht zuletzt die unterschiedlichen Schultypen – von der Ganztagsschule bis zu Spezialschulen - widerspiegeln; insgesamt 35 aus dem gesamten Bundesgebiet. Mehr als bei anderen Bautypen wird die Architektur dabei manchmal bis ins ästhetische Detail an die Aufgabe der Funktionserfüllung erinnert, in diesem Fall nicht nur eine Lern-,  sondern eine  Lebensstätte herzustellen, die Identifikationsmöglichkeiten für ihre Nutzer bietet und eine langfristig positive Wirkung ausübt. Gerade in Nordrhein-Westfalen finden sich hierbei eine Reihe innovativer Ansätze.Neue Beispiele aus NRW 

Die Maria Montessori Gesamtschule in Aachen (E. Kasper & K. Klever, Aachen) scheint auf den ersten Blick nicht die neuesten Entwicklungen des Schulbaus zu demonstrieren: Die Schule  nimmt das Gelände einer ehemaligen Industriebrache in der Nachbarschaft von Gleisanlagen ein. Die vorbeiziehenden ICEs sind gerade noch oberhalb eines Walls im rückwärtigen Teil des Areals zu erkennen. Mehr als Tausend Schüler werden auf dem Areal unterrichtet, auf fünf separate Baukörper aufgeteilt.

Einem lang gestreckten, zentralen Gebäude längs des zwölf Meter hohen Bahndamms für Verwaltung, Mensa, Bibliothek, Oberstufe und naturwissenschaftliche Fachräume stehen im Halbkreis drei separate, sogenannte Lernhäuser für jeweils 360 Schüler gegenüber. In ihrer Form einheitlich, unterschieden jedoch durch die Fassadengestaltung  - teils farbig glasierte Spaltplatten, teils entsprechend gestrichener Putz in den Primärfarben rot, blau und gelb – sollen sie den Schülern die Identifikation mit „ihrem Haus“ erleichtern. In ihrem Inneren erhielten jeweils zwei Klassenräume, um Flure zu vermeiden, einen zusätzlichen gemeinsamen Nutzungsraum, in dem die Schüler sich mit neuen Medien vertraut machen können. Aktuelle Kriterien für den Schulbau 

Einiges an der Schule (insbesondere bei der Außengestaltung) befindet sich noch in der Entwicklung; so müssen die Fassaden des Wärmedämm-Verbundsystems bereits aufwändig erneuert werden. Dennoch demonstriert die Schule einige der aktuellen Zielsetzungen im Schulbau: Aufteilung der Schulgebäude in möglichst kleine Einheiten, die auch durch gestalterische Merkmale unterstützt wird; Einbettung in ein ausgedehntes Freigelände, das in diesem Fall in einer als Bürgerpark entwickelten Parklandschaft besteht, Versuch der Anbindung des Schulgeländes an das städtische Leben.  Weitergehende Ansätze lassen sich an der 1998 eröffneten evangelischen Gesamtschule im Gelsenkirchener Stadtteil Bismarck (Plus+ Freie Architekten Hübner, Forster, Eggler, Neckartenzlingen) erkennen.

Die Schule ist eine echte Stadtteilschule, die nicht zuletzt zur sozialen Erneuerung des Viertels beitragen sollte. Ein in die Schule integriertes so genanntes Stadtteilhaus bietet deutsche Sprachkurse für Eltern, sozialpädagogische und schulseelsorgerische Beratung und Platz für ein Elterncafe. Als kleine „Stadt in der Stadt“ stellt sie konzeptionell eine Art Pendant zu Aachen dar, doch wurde hier der Ansatz eines Schuldorfes deutlich detaillierter umgesetzt. Mit „Rathaus“ (Verwaltung), „Wirtshaus“ (Mensa), „Theater“ (Aula), „Apotheke“ (Chemieklassenraum) und Bibliothek ausgestattet, präsentiert sich das Dorf zunächst fast als Idylle.

Hinter einem Teich im Eingangsbereich erhebt sich ein pavillonartiger Holzbau, an den sich ein vielfach konturierter, farblich differenzierter Komplex mit einer heterogenen Dachlandschaft anschließt, der zunächst verwirrend erscheint. Doch auch hier ist die Aufteilung der Funktionen konsequent. Von einem vielfach gegliederten, überdachten Zentralbereich, in dem Bäume, Brunnen und eine Litfasssäule eine öffentliche Straßenatmosphäre erzeugen, zweigen sechs lang gestreckte, aber im Detail individuell gestaltete Klassenhäuser mit jeweils fünf Klassenräumen ab. Sie beherbergen jeweils die Klassen eines Jahrgangs während der gesamten Zeit der Sekundarstufe, erinnern mit ihren Vorgärten stark an Reihenhäuser.

Die einzelnen, rund 60 m2 großen Klassenräume mit raumhoher Fensterfront nach Norden weisen als gemeinsames Merkmal ferner einen Emporenbereich auf, in dem Sofas und Bücherregale den Schülern und Schülerinnen einen intimen und gemütlichen Pausenaufenthalt erlauben. Im Laufe der vergangenen sechs Jahre sind unter Mitarbeit der jeweiligen 5-Klässler 30 unterschiedliche Klassenräume entstanden, die nach übereinstimmender Auffassung von Architekt Olaf Hübner und dem didaktischen Schulleiter Martin Weyer-von Schoultz die Kinder tatsächlich als ihr eigenes Zuhause empfinden.

Dass der Gesamteindruck nicht unbedingt Schulcharakter hat, ist im Übrigen gewollt. „Es sind“, so Hübner, „schon Leute durch die Dorfstraße gegangen, um sich anschließend nach der Schule zu erkundigen.“ Gemeinsame Planung 

Nicht in der Ausstellung vertreten ist die Ende 2003 eröffnete Schule für Erziehungshilfe in Velbert, deren Konzeption gleichwohl den innovativsten Eindruck vermittelt (Architekt Roland Dorn, Köln). Auch das Zusammenspiel von Gebäudeform und Lage ist in diesem Fall überzeugend. Das Projekt, das vom Kreis Mettmann in Auftrag gegeben wurde, besitzt darüber hinaus Modellcharakter, insofern mit diesem Schultypus, der Schüler mit Lernschwierigkeiten verschiedener Alterstufen vereint, in NRW noch keine Erfahrungen bestanden.

Auch der partizipatorische Ansatz schon in der Planung ist ungewöhnlich. In enger Kooperation zwischen Schulleitung, Schul- und Bauamt sowie dem Lehrerkollegium wurden Gebäude und Inneneinrichtung entwickelt - mit dem vordringlichen pädagogischen Ziel der Förderung des Sozialverhaltens und des Gemeinschaftsbewusstseins.

Das Ergebnis ist ein kreisrundes Gebäude (42 Meter Durchmesser) für rund Hundert Schüler, das nach Außen wie ein Ufo wirkt, im Inneren dagegen Übersichtlichkeit garantiert, in fast selbstverständlicher Weise die Verteilerfunktion ausübt, als glasüberdachtes, aber zu öffnendes Amphitheater als stimmungsvoller Veranstaltungsort dient und in seiner integrierenden Wirkung darüber hinaus das Gemeinschaftsgefühl der Schüler stärkt. Baulich gelingt mit ihm die Integration in das stark abschüssige Gelände (12 Meter Höhenunterschied). Von dieser Aula erschließen sich die Unterrichtsräume, von denen mehr als die Hälfte auf Fachräume für Kunst, Musik, textiles Gestalten, Werken etc. entfällt. Die zur Orientierung farblich hervorgehobenen Klassenräume selbst – auf der unteren Ebene 6 Klassen für die Primarstufe, auf der ersten Etage 6 für die Sekundarstufe - liegen rückwärts mit einem ausgesucht schönen Blick auf das hangabwärts sich erstreckende Sport- und Freizeitgelände, das seinerseits in einen Stadtpark übergeht.

Eine weitere Besonderheit stellen Form und Ausstattung der Klassenräume dar, die mit sorgfältig den Rundungen eingepassten Einbauschränken, mit  Garderobe und einer Pantry fast Appartementatmosphäre besitzen und durch die Zusammenlegung der Etats für Gebäude und Ausstattung obendrein besonders kostengünstig ausfiel. Am wichtigsten aber ist Architekt Roland Dorn die Tatsache, „dass die Schüler nach wie vor auf Zehenspitzen durch das Gebäude gehen“. Dorn: „Ich nehme das als Indiz dafür, dass die Gleichung von Pädagogik und Architekt hier einmal aufgegangen ist.“

Der Wüstenrot-Gestaltungspreis wird alle zwei Jahre vergeben. Die Ausstellung war bereits an verschiedenen Standorten in Deutschland zu sehen und wird vom 12. November - 9. Dezember 2004 im „Haus der Architekten“ im Düsseldorfer Medienhafen gezeigt. Zur Vernissage am 11. November lädt die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen alle Interessierten recht herzlich ein! 

Dr. Frank Maier-Solgk arbeitet als freier Fachjournalist in Düsseldorf.

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