Räume prägen! Eindrücke vom Tag der Architektur 2019
Die Gesellschaft verändert sich - und mit ihr die Architektur. „Wir wollen mit den Menschen darüber reden, wie man in der Stadt heute anders wohnen kann, und zeigen das am guten gebauten Beispiel.“ Norbert Post, Architekt und Stadtplaner vom Büro post welters & partner aus Dortmund, brachte im Interview mit dem WDR Fernsehen ein wichtiges Anliegen der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen zum „Tag der Architektur“ auf den Punkt: Neue Architektur zu präsentieren, über innovative Gestaltungsansätze zu sprechen, Menschen zum Entdecken und zum Dialog einzuladen. Rund 23.000 Architekturfans, Fachkollegen und interessierte Bürgerinnen und Bürger folgten der Einladung, am „Tag der Architektur“ in NRW insgesamt 170 neue Architekturen vor Ort zu erleben.
Norbert Post stellte in Düsseldorf gemeinsam mit Martine Richli vom Verein „Wohnen mit Kindern“ das Projekt „wmk3“ vor, in dem eine 30-köpfige Baugruppe sich den Traum vom gemeinsamen Wohnen in der Landeshauptstadt realisieren konnte. „Es geht uns um eine lebendige Nachbarschaft über die Generationen hinweg“, erläuterte Martine Richli. Ein Thema, das viele Menschen bewege.
Hinter die Fassaden blicken
„Man geht so oft an interessanten Gebäuden vorüber und fragt sich, wie die wohl von innen aussehen oder was es mit der Architektur auf sich hat. – Heute kann ich endlich mehr erfahren.“ So wie Gabriele Dastych ging es vielen Besucherinnen und Besuchern, die sich am 29. und 30 Juni auf den Weg machten, um nach den Fahnen mit dem „Tag der Architektur“-Logo Ausschau zu halten. Die Bochumerin kam bei Temperaturen um die 30 Grad zur neuen Web-Individualschule unweit der Jahrhunderthalle Bochum, die sich als farbenfroher Flachbau auf dem Stahlwerksplateau am Westpark erhebt.
Zur Freude der Architekten Johannes Klein und Holger Lawrenz (Kemper, Steiner & Partner Architekten, Bochum) wollten rund 120 Interessierte sich darüber informieren, wie mit Betonfertigteilen, Stahl und Glas eine Verbindung moderner Schularchitektur mit industrieller Historie gelingen kann. Nicht nur die Gestaltung, auch die Klimatechnik konnte die Besucher überzeugen: Die Klimadecken sorgten dafür, dass in allen Schul- und Innenräumen angenehme Temperaturen herrschten. „Wir möchten dieses gute Projekt gerne öffentlich vorstellen, um die Baukultur in unserer Stadt zu fördern“, erläuterte Architekt Klein im Gespräch seine Motivation zur Teilnahme am Tag der Architektur. Sein Büro habe schon des Öfteren teilgenommen. „Auch, um im Gespräch zu bleiben und als Büro für potenzielle Mitarbeiter attraktiv zu erscheinen“, ergänzte Johannes Klein.
Innovation in Technik und Gestaltung
Nicht hinter, sondern auf die Fassade richtete sich der Blick der Besucher an der neuen Textilakademie NRW in Mönchengladbach. Der würfelförmige Bau von sop architekten aus Düsseldorf beeindruckte nicht nur durch die Kombination einer zurückhaltenden, beruhigend wirkenden Architektursprache im Inneren mit modernster Unterrichtstechnik, sondern vor allem durch seine textile Fassade, die das Gebäude wie eine Wolke umhüllt. „Ein Prototyp, an dem wir lange gearbeitet haben, der aber zum Charakter des Gebäudes und seiner Aufgabe hervorragend passt“, zeigte sich Projektarchitekt Sascha Rullkötter überzeugt. Eine Einschätzung, die der Geschäftsführer der privaten Akademie, Detlef Braun, teilte: „Unsere Textilakademie NRW hat den gesamten Nordwesten Deutschlands als Einzugsgebiet. Wir wollen mit der Architektur deutlich machen, dass die Textilwirtschaft hier im Westen und insbesondere am traditionsreichen Standort Mönchengladbach zukunftsfähig aufgestellt ist. Die High-Tec-Fassade und die moderne technische Ausstattung unserer Schul- und Veranstaltungsräume belegen das eindrucksvoll.“
Architekt Rullkötter schwitzte an dem heißen Tag-der-Architektur-Wochenende gerne für das Ziel, Architektur an eine breite interessierte Öffentlichkeit zu vermitteln. „Ich halte es für wichtig, dass wir auch außerhalb der Fachkreise über Architektur sprechen und unsere Architektur den Bürgern, die hier jeden Tag vorbeifahren, erklären.“ Das ging beispielsweise Doris und Klaus Neuenhofer so, die den Bau der ungewöhnlichen Akademie mit ihrer innovativen Fassade staunend verfolgt hatten. „Heute erfahren wir endlich, was es genau damit auf sich hat.“
Einfamilienhäuser gefragt
Ein Zugpferd waren auch am Tag der Architektur 2019 wieder private Wohnungsbauten und Einfamilienhäuser. In Gelsenkirchen stellten Architekt Christian Greve und Dominik Harijanto vom Büro GAP (Münster) ein Wohnhaus in kubischer Form und mit weißer Fassade vor, das im Inneren durch einen außergewöhnlichen Grundriss überraschte. „Dem Bau ging ein intensiver Planungsprozess voraus, in dessen Verlauf wir mit dem Bauherrn genau herausgearbeitet haben, wie er lebt und was er von seinem Wohnhaus erwartet“, beschrieb Christian Greve den interessierten Besuchern sein Vorgehen. Besucher wie Lisa und Bernd Seidel, die seit Jahren die Entwicklung der gesamten Neubausiedlung „Am Buerschen Waldbogen“ verfolgt hatten, zeigten sich angetan und lobten die harmonische Gestaltung des Hauses, die sich erkennbar von Bauträgerlösungen in der Siedlung abhebe.
Viel Anerkennung erntete auch Architektin Verena Jansen für ihr ausdrucksstarkes Einfamilienhaus in Wegberg (Kreis Heinsberg). Auch hier stand die genaue Analyse der Vorstellungen der Bauherrenfamilie im Mittelpunkt der Entwurfsplanung. „Ich beteilige mich unter anderem am Tag der Architektur, damit nicht nur die großen nordrhein-westfälischen Städte im Fokus stehen, sondern auch der ländliche Raum mit seinen Stärken erfahrbar wird“, betonte Architektin Jansen. Das Engagement zahle sich mehrfach aus: „Durch die guten Gespräche hier vor Ort, als Werbung für mein Büro und als Beitrag zu einer lebendigen Baukultur.“ Die Besucherinnen und Besucher jedenfalls nahmen zum Teil weite Wege auf sich, um gezielt Einfamilienhäuser kennen zu lernen, die ihnen als Inspiration für eigene Projekte dienen konnten. Oder um ganz gezielte technische Fragen zu stellen, die in Wegberg Bauherr Volker Romboy gerne beantwortete. „Wir haben unser Haus zu einem Smart Home gemacht. Das ist zu einer richtigen Leidenschaft geworden.“
Vielfältige Räume erleben
„Räume prägen“ – so lautete das Motto des Tags der Architektur 2019. Dass dies unsere gesamte gebaute Umwelt betrifft, zeigten nicht allein die genannten Beispiele aus Wohnungsbau und Bildung, sondern auch viele Hausgärten und Freiraumgestaltungen, Gewerbe- und Industriegebäude, Bauwerke für Freiberufler und Handel. In Düsseldorf wollten mehr als 100 interessierte Architekturfans Genaueres über das neue „Crown“ erfahren – den Umbau des früheren Kaufhof-Gebäudes an zentraler Stelle in der Innenstadt (RKW Architektur +).
Aber auch Spezialthemen wie die Modernisierung und Erweiterung des Sportzentrums in Grevenbroich (Werkgemeinschaft Quasten – Mundt) lockte Bürger und Nutzer des Sportparks am Schloss an. „Wir sind in jedem Jahr am Tag der Architektur dabei“, betonte Architektin Jutta Quasten-Mundt. „Wir wollen gerne unsere Architektur vermitteln und erläutern.“ Die anspruchsvoll sanierte Turnhalle, vor allem aber der neue Sportlertreff, der auch durch Fremdmieter genutzt werden können soll, stellen nach Meinung zahlreicher Besucher eine echte Aufwertung des Sportareals inmitten der Grevenbroicher Innenstadt und des Grünzugs dar.
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