Vielfalt, Qualifikation, Innovation
Die nordrhein-westfälische Architektenschaft fordert eine konsequentere Politik für mehr Wohnungsbau. Auf ihrer 71. Vertreterversammlung verabschiedeten die 201 Delegierten der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen am Samstag (21.10.23) in Düsseldorf einen Maßnahmenkatalog, der u.a. die systematische Fortsetzung der Vergabe landeseigener Grundstücke für den sozialen Wohnungsbau, das Aussetzen der Grunderwerbssteuer für Wohnbaugrundstücke, die Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes für den Neubau von geförderten Wohnungen von 19 auf 7 Prozent sowie die deutliche Beschleunigung der Genehmigungsprozesse vorschlägt. „All das kann nur zum Erfolg führen, wenn die Baubehörden der Kommunen personell besser ausgestattet werden und auf Basis klarer, verlässlicher Grundlagen arbeiten können“, bekräftigte der Präsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, Ernst Uhing.
„Der andauernde Rückgang der Genehmigungszahlen im Wohnungsbau darf nicht einfach hingenommen werden. Wir brauchen eine Bauwende“, erklärte Kammerpräsident Ernst Uhing in seiner Rede vor dem nordrhein-westfälischen Architektenparlament. Die Politik müsse innovative Instrumente für das Planen und Errichten von Bauwerken zulassen und beispielsweise den von der deutschen Architektenschaft geforderten „Gebäudetyp-e“ für einfaches und experimentelles Bauen rasch einführen. Zu prüfen sei auch, ob bei der Sanierung älterer Bauwerke die baurechtlichen Anforderungen der Erstgenehmigung (mit Ausnahme sicherheitsrelevanter neuer Anforderungen) Bestand haben könnten.
Die Vertreterversammlung der Architektenkammer NRW forderte darüber hinaus die konsequente Digitalisierung in den nordrhein-westfälischen Bauämtern. Bauanträge müssten endlich digital eingereicht und verarbeitet werden, um Genehmigungsprozesse zu vereinfachen und deutlich zu beschleunigen.
Normenmoratorium
Als Gastrednerin der Jahrestagung der nordrhein-westfälischen Architektenschaft kündigte die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes NRW, Ina Scharrenbach, an, sich bundesweit für ein „Normenmoratorium“ einsetzen zu wollen. „Die Planungs- und Baubranche benötigt verlässliche Regeln und Rahmenbedingungen“, erklärte Ministerin Scharrenbach. „Wenn wir einfacher und schneller bauen wollen, dann brauchen wir ein integriertes Planungsrecht.“
Qualifikation stärken
Kammerpräsident Ernst Uhing unterstrich in seiner Rede vor der Vertreterversammlung die Notwendigkeit einer hohen Qualifikation all derjenigen, die Gebäude planen. „Es ist deshalb nicht nachvollziehbar, dass solche Verantwortung nach der neuen Landesbauordnung nun auch bestimmten Gruppen aus dem Handwerk anvertraut werden soll, die dazu nicht die fachliche Qualifikation nachweisen können“, kritisierte Uhing unter dem Applaus des NRW-Architektenparlaments.
Die AKNW geht den Weg der beruflichen Qualifikation ihrer Mitglieder konsequent weiter. So beschloss die VVS mit großer Mehrheit die Einrichtung eines ersten „Registers Vergabe und Wettbewerbsbetreuung“, in welches Mitglieder mit besonderen Qualifikationen eingetragen und öffentlich dargestellt werden. Zudem wird bundesweit an der Etablierung eines „Registers Nachhaltigkeit“ gearbeitet mit dem Ziel, Kammermitglieder unter dem Slogan „fit for Nachhaltigkeit“ über Fortbildungsangebote der Akademien zu Förderantragsberechtigten zu machen.
Zeitgemäße FuWO
Zur weiteren Qualifikation der Mitglieder gehört auch, dass die Fort- und Weiterbildungsordnung der AKNW zeitgemäß angepasst wird. Die VVS beschloss, dass künftig mehr Veranstaltungsformate als Fortbildung anerkannt werden sollen. So werden die Vorgaben für Online-Fortbildungsveranstaltungen, etwa in Form des E-Learnings, des Video-on-Demand oder Hybridveranstaltungen, neu formuliert. Zwischen „Vortrag“ (bisher: nur halbe Fortbildungspunktzahl) und „Seminar“ (volle Fortbildungspunktzahl) wird nicht länger unterschieden. Um die hohe Qualifikation des Berufsstandes zu sichern und im politischen Diskurs klar belegen zu können, wird der Umfang der jährlich zu erbringenden Fortbildungsstunden á 45 Minuten von 8 auf 16 angehoben.
Zweiter Hochschulstandort für Landschaftsarchitektur
Angesichts des eklatanten Mangels an Landschaftsarchitektinnen und Landschaftsarchitekten forderte die Vertreterversammlung der Architektenkammer NRW die Einrichtung
eines zweiten, universitären Studienstandorts für Landschaftsarchitektur in Nordrhein-Westfalen. Das qualifizierte Angebot der Hochschule OWL am Standort Höxter allein reiche nicht aus, um den Fachkräftebedarf zu decken, der u.a. durch den notwendigen Umbau unserer Städte und Gemeinden zur Klimafolgenanpassung entstanden sei. „Hier besteht dringlicher Handlungsbedarf“, war sich das NRW-Architektenparlament einig.
Wettbewerbe ohne „zeitliche Kappungsgrenze“
Die Vertreterversammlung beschloss, dass die Kammer sich vor allem bei öffentlichen Bauherren wie Kommunen und dem Land sowie bei Bauämtern öffentlicher Träger dafür einsetzt, auf eine zeitliche Befristung von Referenzprojekten bei Vergabeverfahren aus Gründen der Vergabefairness zu verzichten. Entscheidend sei die Erfahrung, die ein Büro über die Jahre sammelt, hieß es zur Begründung.
Haushalt 2024 verabschiedet
Das Haushaltsvolumen der AKNW beträgt im Jahr 2024 rund 10,7 Millionen Euro. Die Vertreterversammlung beschloss die Vorlage sowie die Anpassung des Grundbeitrages, der im kommenden Jahr 277 Euro betragen wird. Neben den Personalausgaben stellt die umfassende Öffentlichkeitsarbeit der AKNW mit rund einer Millionen Euro einen Schwerpunkt im Haushaltsplan 2024 dar.
Leistungsverbesserungen bei Renten und Anwartschaften ab 2024
Das Versorgungswerk habe sich im Jahr 2022 unter weiter schwierigen Rahmenbedingungen stabil entwickelt, berichtete der Vorsitzende des Aufsichtsausschusses, Wolfgang Zimmer, der Vertreterversammlung. Die Bilanzsumme von 13,1 Mrd. Euro zum Jahresende 2022 markiere einen weiteren Vermögenszuwachst; auch die Zahl der Rentnerinnen und Rentner sei im Jahresverlauf 2022 auf einen neuen Rekordwert angestiegen (auf 15 207 Personen). Der Geschäftserfolg sei Produkt richtiger strategischer und taktischer Entscheidungen.
Das gute Geschäftsergebnis des Versorgungswerks ermögliche eine Dynamisierung der Renten zum Jahresbeginn 2024 um rund zwei Prozent, freue sich Wolfgang Zimmer. Auch die Anwartschaften des Abrechnungsverbandes ab 2017 werden zum 01.01.2024 um rund zwei Prozent dynamisiert. „Das ist die stärkste Erhöhung seit 20 Jahren“, unterstrich der Vorsitzende des Aufsichtsgremiums „und das ist in diesem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld eine großartige Nachricht!“
Die Leistungsanpassung addiert sich zum Rechnungszins, d. h. der satzungsgemäßen Mindestverzinsung, die vom Versorgungsträger auf das eingezahlte Kapital der Mitglieder ohnehin gewährt wird, hinzu. Aus der Kombination der beiden Leistungsbausteine ergibt sich für die Versicherten im Ergebnis eine gute Entwicklung der Leistungen. Die Vertreterversammlung bekräftigte die positive Einschätzung des Jahresergebnisses 2022 und beschloss einstimmig die vorgeschlagene Erhöhung.
Würdigung Heinrich Pfeffer
Kammerpräsident Ernst Uhing verabschiedete mit persönlichen Worten Heinrich Pfeffer aus dem Vorstand der AKNW. „Heinrich Pfeffer hat seit dem Jahr 2004 im Vorstand der Kammer mit seinem Sachverstand gewirkt“, so Uhing. In dieser Zeit habe sich Pfeffer intensiv für den Berufsnachwuchs eingesetzt, die AKNW im ASAP vertreten und unermüdlich insbesondere für die Interessen der freischaffend tätigen Kolleginnen und Kollegen gestritten. Die Vertreterversammlung dankte für dieses große Engagement der Kölner Architekten mit langanhaltendem Applaus.
Mit großer Mehrheit wählte die VVS Matthias Pfeifer, geschäftsführender Gesellschafter bei RKW+, zum neuen Vorstandsmitglied. Pfeifer übernimmt zudem von Heinrich Pfeffer auch den Vorsitz des Ausschusses „Beruf, Innovation, Digitalisierung“.
„Charta der Vielfalt“
Die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen wird die „Charta der Vielfalt“ unterzeichnen. Damit will die Kammer verdeutlichen, dass die NRW-Architektenschaft sich den Zielen der Anerkennung und Einbeziehung von Vielfalt in der Arbeitswelt in Deutschland verpflichtet sieht. Die Charta strebt eine Arbeitswelt an, in der alle Mitarbeitenden Wertschätzung erfahren – unabhängig von Alter, ethnischer Herkunft und Nationalität, Geschlecht und geschlechtlicher Identität, körperlichen und geistigen Fähigkeiten, Religion und Weltanschauung, sexueller Orientierung und sozialer Herkunft. „In Zeiten von Kriegen und gesellschaftlichen Disruptionen ist es wichtig, dass unser Architektenparlament ein Signal der Kooperation und des konstruktiven Miteinanders aussendet“, fasste Ernst Uhing, Präsident der Architektenkammer NRW, die Tagungsergebnisse zusammen.
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