Baukammern warnen vor Qualitätseinbußen beim Bauen
Einfacher planen und bauen bei hoher Qualität. - Das muss nach Auffassung der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen und der Ingenieurkammer-Bau Nordrhein-Westfalen Ziel der anstehenden Novellierung der Landesbauordnung sein. Anlässlich der heutigen Beratungen des nordrhein-westfälischen Landtags zum Novellierungsentwurf der Landesregierung warnen die beiden Baukammern insbesondere vor einer Erweiterung der Genehmigungsfreistellung.
„Was zunächst gut klingt, wird später zum Problem“, erklärt Ernst Uhing, Präsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen (AKNW). Die Baugenehmigung sei eine Unbedenklichkeitsbescheinigung. „Auf diese zu verzichten, bedeutet für die Bauherrschaft eine andauernde Unsicherheit. Wir Planer befürchten eine Beeinträchtigung des sicheren und qualitätvollen Bauens“, so Dr.-Ing. Heinrich Bökamp, Präsident der Ingenieurkammer-Bau NRW (IK-Bau NRW).
Die Landesregierung hatte ihren Gesetzentwurf des zweiten Gesetzes zur Änderung der Landesbauordnung 2018 vor Beginn der Sommerferien vorgelegt (Drucksache 18/4593) mit dem Ziel, die Novellierung zum 01.01.2024 in Kraft treten zu lassen. Vorgesehen ist darin u.a. eine Verringerung des Prüfumfanges im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren sowie eine Erweiterung der Genehmigungsfreistellung für Wohngebäude der Gebäudeklassen 1 bis 4, also für alle Gebäude mit Ausnahme von Hochhäusern.
Die Novellierung der BauO NRW 2018 verfolgt zudem das Ziel, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu beschleunigen. Die entsprechenden Änderungen werden von der AKNW und der IK-Bau NRW ausdrücklich begrüßt.
Auf grundsätzliche Ablehnung trifft bei den Baukammern dagegen das Vorhaben, eine „eingeschränkte Bauvorlageberechtigung“ für einige Handwerksmeister einzuführen. „Das Planen und Bauen wird angesichts der Anforderungen zum Klimaschutz, zur Barrierefreiheit und zur Kreislaufwirtschaft immer anspruchsvoller“, betont AKNW-Präsident Ernst Uhing. Bauherren profitierten von einer klaren Arbeitsteilung. „Es gibt Planer auf der einen und Ausführende auf der anderen Seite. Im Sinne des Verbraucherschutzes muss die verantwortliche Planung deshalb in den Händen dafür qualifizierter Fachleute bleiben, während die Ausführung dem qualifizierten Handwerk vorbehalten bleiben sollte.“ Insbesondere die Lenkung aller Fachplaner und die Synthese ihrer Planungen zu einem stimmigen Gesamtentwurf sei eine im Studium vermittelte Kernkompetenz von Architekten und Ingenieuren, so der Präsident der IK-Bau NRW, Dr.-Ing. Heinrich Bökamp. Fachliche Gründe für eine Aufweichung dieser Regelungen könnten die Baukammern nicht erkennen. Eine Auflösung dieser sinnvollen, arbeitsteiligen Zusammenarbeit sei kontraproduktiv, erst recht, wenn die Zugangsvoraussetzungen zum Bauvorlagerecht nicht klar geregelt sind. Hier gebe es noch Lücken im Gesetzentwurf. Vor allem sei unklar, welchen Fortbildungspflichten bauvorlageberechtigte Handwerksmeister unterliegen sollen und wie eine etwaige Versicherungspflicht ausgestaltet werden könnte.
Es sei zu befürchten, dass die jetzt vorgelegte Neuordnung des Bauvorlagerechtes zu einer Wettbewerbsverzerrung und darüber hinaus zu einem erhöhten Prüfaufwand bei den Bauaufsichtsbehörden führt. „Die Mehrbelastung erhöht den Druck auf die schon jetzt knappe Personalausstattung der Genehmigungsbehörden“, befürchtet der Präsident der AKNW Ernst Uhing. Schon das konterkariere den politischen Willen der Verfahrensbeschleunigung und Baukostensenkung. Verstärkt werde dieser Nachteil durch die nach wie vor schleppende Digitalisierung der Baubehörden. „Außerdem muss bei der Bauvorlageberechtigung für eine europarechtskonforme Umsetzung Sorge getragen werden. Das laufende Vertragsverletzungsverfahren muss mit einer Regelung beendet werden, die das EU-Recht beachtet“, erklärt Dr.-Ing. Heinrich Bökamp, Präsident der IK-Bau NRW.
Die nordrhein-westfälischen Baukammern fordern daher ein Bekenntnis zu einem klaren ordnungsrechtlichen Rahmen und mehr Freiheit. Nicht die Reduzierung von Prüfung oder die Ausweitung des Bauvorlagerechts seien Mittel der Wahl, sondern die Reduzierung von Baustandards. „Für die ‚Bauwende‘ zu kostengünstigem, schnellem und klimaneutralem Bauen brauchen Planerinnen und Planer rechtssichere Verfahren, mit denen sie im Einzelfall beispielsweise leichtere Geschossdecken oder reduziertere Grundrisse planen dürfen“, fordern die Präsidenten der beiden nordrhein-westfälischen Baukammern, Ernst Uhing und Dr.-Ing. Heinrich Bökamp.
Um die Klimaneutralität im Bauen zu erreichen, schlagen die Architekten und Ingenieure eine verpflichtende CO2-Bilanz für das gesamte Gebäude vor. „Das gesetzlich vorgeschriebene, ausschließliche Interesse an der Betriebsenergie hat uns eine Dämmorgie, aber kaum Vorteile für den Klimaschutz beschert. Denn die Produktion und die spätere Entsorgung von Wärmedämmverbundsystemen setzt erhebliche Mengen klimaschädlichen Treibhausgases frei, das bisher gar nicht bilanziert werden muss“, erklärt Präsident Uhing. „Eine ganzheitliche CO2 -Bilanz ist ein Innovationsimpuls. Der Architekt oder Ingenieur muss zukünftig die Klimaneutralität eines Gebäudes über den gesamten Lebenszyklus nachweisen: technologieoffen, ganzheitlich und innovativ“, ergänzt Dr.-Ing. Heinrich Bökamp.
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