Förderpreis 2023: Besonders begabte Nachwuchs-Architekt*innen ausgezeichnet
Den Nachwuchs zu motivieren, zu inspirieren und gute Architekturkonzepte öffentlich zu präsentieren – das sind die Ziele des „Förderpreises“ der Stiftung Deutscher Architekten, der gestern Abend (23.02.23) in einem Festakt im Baukunstarchiv NRW in Dortmund zum 19. Mal an angehende Architektinnen und Architekten verliehen wurde. Drei gleichrangige Förderpreise, die mit je 4000 Euro dotiert sind, und zwei Anerkennungen gingen an Absolventinnen und Absolventen der Architekturfakultäten der nordrhein-westfälischen Hochschulen. „Architektur und Stadtplanung müssen in großem Maßstab zur Erreichung der Klimaschutzziele beitragen, deshalb brauchen wir begabte junge Menschen, die unsere gebaute Umwelt von morgen engagiert gestalten und planen“, erklärte der Präsident der Architektenkammer NRW und Vorstandsvorsitzende der Stiftung, Ernst Uhing.
Insgesamt 31 Arbeiten waren von Absolventinnen und Absolventen der Architekturfakultäten von elf nordrhein-westfälischen Hochschulen zum „Förderpreis 2023“ vorgelegt worden. Alle Bewerberinnen und Bewerber wurden von ihren Professor*innen als „besonders begabt“ eingeschätzt; der Vorschlag zur Teilnahme an dem Auszeichnungsverfahren erfolgte durch die jeweilige Hochschule.
Die Jury unter Vorsitz des Architekten und Stadtplaners Prof. Rolf-Egon Westerheide (Aachen) lobte die ausgezeichneten Arbeiten als Beispiele für die planerische Auseinandersetzung mit aktuellen Fragestellungen: „Die jungen Planerinnen und Planer haben sich viel mit Lösungsansätzen für die globalen Klimafolgen befasst“, berichtete Prof. Westerheide aus der Jurysitzung. „Es geht darum, nachhaltig und klimagerecht zu planen, die natürlichen Ressourcen zu schonen, den Gebäudebestand weiterzuentwickeln, aber auch mit Schrumpfung und Rückbau im Sinne der Kreislaufwirtschaft verantwortungsvoll umzugehen.“ Alle eingereichten Arbeiten hätten mit großer Analysetiefe, Fachkompetenz und Einfühlungsvermögen zu originellen Lösungsansätzen geführt.
Drei gleichrangige Förderpreise – dotiert mit je 4.000 Euro – erhielten Susanne Hugenberg (msa Münster) für ihre Masterabeit „Hommage di Marmi | Cava di Marmi - Ein Kulturort inmitten der Marmorberge“, Eva Krings und Katja Gadziak (RWTH Aachen) für ihre gemeinsame Arbeit „Ohne Ende Anfang - Zur Transformation der Zeilenbausiedlung in Eisenhüttenstadt“ sowie Chiara Erhardt und Luca David Steinert (RWTH Aachen) für ihren Entwurf „ritrova.riesi - Impulse und Handlungsstrategien für die Stadt Riesi“.
Außerdem vergab die Jury zwei Anerkennungen an Davin Schröder (FH Dortmund) für „The Earth School - Secondary school in Kafountine, Senegal“ (dotiert mit 2.500 Euro) und Joshua Karategin (PBSA Düsseldorf) für seinen Entwurf „Crossfloat“ (1.500 Euro).
In die Bewertung der Jury flossen u. a. ein: der Schwierigkeitsgrad der Aufgabenstellung, die Intensität und Durchdringung des Themas, die Experimentierfreudigkeit und Innovationskraft der Lösung, die bautechnologische Präzision und die Qualität der Präsentation des Entwurfsprozesses. An diesen Kriterien soll das besondere Talent des Bewerbers bzw. der Bewerberin ablesbar sein.
Der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Deutscher Architekten, Architektenkammerpräsident Ernst Uhing, betonte anlässlich der Preisverleihung die Bedeutung einer umfassenden, profunden Hochschulausbildung für Architektinnen und Architekten, für Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner*innen. Das Berufsbild werde immer komplexer und anspruchsvoller: Neben der Qualität des kreativen Entwurfs und der Präzision in der technischen Umsetzung müssten Architektinnen und Architekten heute zunehmend Aufgaben der Projektsteuerung leisten sowie Kommunikationsprozesse moderieren. „Die zukünftige Bau- und Planungsqualität in unserem Land braucht einen klaren Kompass und den Geist der Innovation“, führte Uhing aus. Die ausgezeichneten Förderpreisträgerinnen und -preisträger hätten mit ihren eingereichten Arbeiten dafür hervorragende Beispiele geliefert.
Jury: Teilnehmer und Beurteilungen
Der Jury für den Förderpreis 2023 gehörten neben dem Vorsitzenden Prof. Rolf-Egon Westerheide (Architekt/Stadtplaner, Aachen) an: Jakob Dürr (Architekt, Köln), Felix Mayer (Förderpreisträger der Stiftung Deutscher Architekten 2021) und Ernst Uhing (Präsident der Architektenkammer NRW, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutscher Architekten). (Monika Lepel, Architektin/Innenarchitektin aus Köln, und Prof. Katja Benfer, Landschaftsarchitektin aus Berlin, hatten krankheitsbedingt kurzfristig absagen müssen; ergänzend wirkte Klaus Brüggenolte, Architekt / Vizepräsident der Architektenkammer NRW, in der Jury mit.)
Die Jury vergab drei gleichrangige Förderpreise, die mit je 4.000 Euro dotiert sind:
Susanne Hugenberg, msa Münster: "Hommage di Marmi | Cava di Marmi - Ein Kulturort inmitten der Marmorberge"
Jurybegründung (Auszug):
„Die Verfasserin schlägt vor, in der außergewöhnlichen Umgebung der apuanischen Alpen einen Kulturort zu schaffen, der die Besonderheiten des Marmors an seinem Ursprungsort zeigt und an dem die Besucher das Material und seine Besonderheiten sinnlich erfahren können. Konkret bildet der Kulturort ein Bindeglied zwischen dem Gebirge, der Industrie und der Stadt. Verortet sind hier neben dem Marmorarchiv ein Museum samt Auditorium, ein Café, eine Bibliothek sowie verschiedene Ateliers. Jeder Bereich kann selbstständig für sich funktionieren, entwickelt aber zugleich auch im Zusammenspiel mit den weiteren Bereichen. [..]
Der Verfasserin gelingt es auf beeindruckende Weise, durch eine subtraktive Vorgehensweise charakteristische und wirkungsmächtige Räume zu erzeugen, die das Material des Marmors in den Vordergrund stellen. [..] Durch diesen herausragenden Entwurf gelingt es der Verfasserin, ihre Faszination für den Ort und das Material plastisch herauszuarbeiten. Die Jury würdigt besonders, dass sich der Entwurf formal und räumlich umfassend an den Gegebenheiten des Ortes orientiert. Die durch den Menschen überformte Landschaft erhält einen starken, neuen Kulturort.“
Eva Krings und Katja Gadziak, RWTH Aachen: "Ohne Ende Anfang - Zur Transformation der Zeilenbausiedlung in Eisenhüttenstadt"
Jurybegründung (Auszug):
„Die Entwurfsverfasserinnen Eva Krings und Katja Gadziak widmen sich des Themas mit einer tiefgehenden Analyse. Zu der profunden Befassung mit dem Raum gehört eine Darstellung sozioökonomischer Daten genauso wie die Bewertung der wirtschaftsgeografischen Bedeutung der Stadt im Städtedreieck Berlin – Frankfurt/O. - Cottbus. Es folgen stadträumliche, städtebauliche und freiraumstrukturelle Untersuchungen, die mit infrastrukturellen und nutzungsbezogenen Befunden abgeglichen werden. Die vorbereitenden Untersuchungen sind in vorzüglicher und gut verständlicher Weise dargestellt. [..]
Der Werkzeugkasten der Stadtplaner wird gekonnt benutzt. Es entsteht ein eindeutiges Fundament für die stadtplanerischen Ableitungen. Das städtebauliche Konzept führt gekonnt weiter, was die Grundlagenermittlung vorgegeben hat. Aus dem Schatz der Erkenntnisse entsteht ein folgenreiches Konzept. Unter Einbezug lokaler baulicher und freiräumlicher Potenziale stellen die Junior-Stadtplanerinnen dar, wie sie sich die Zukunft Eisenhüttenstadts vorstellen. Sie komponieren eine städtebauliche Entwicklung, die mit hoher sozialräumlicher Kenntnis, mit großer Behutsamkeit und vor allem fachlichem Geschick das vorhandene Stadtgefüge fortentwickelt.“
Chiara Erhardt und Luca David Steinert, RWTH Aachen: "ritrova.riesi" - Impulse und Handlungsstrategien für die Stadt Riesi
Jurybegründung (Auszug):
„Behutsam und mit großer Einfühlsamkeit hauchen zwei wohl überlegte Ideen - ein neues Kultur- und Begegnungszentrum in den Räumen des ehemaligen cinema italia und eine Einrichtung für Bildung, Veranstaltung, Ausstellung und Tourismus im teilweise verfallenen Palazzo Cappadona der schrumpfenden sizilianischen Stadt Riesi wieder Leben ein. Der konzeptionelle Ansatz, alternative Lösungswege fernab wachstumsorientierter Entwicklungsmodelle zur Revitalisierung einer Stadt zu finden, deren Fortbestand durch wirtschaftlichen Niedergang der Region als besiegelt schien, bricht mit herkömmlichen Denkmodellen. [..]
Ein wunderbarer Beitrag, in dem der weckende Impuls sich aus dem speist, was ist; aus dem, was werden kann und mit wohl proportionierten Baukörpern in bekannter Materialität und Fassadenstruktur sichtbar wird, ohne das Bestehende zu überformen. Die Arbeit von Chiara Erhardt und David Steinert zeigt zum einen eine besondere Beobachtungsgabe und ein großes Talent im methodischen Arbeiten, zum anderen ein beseeltes Einfühlungsvermögen in gesellschaftliche Prozesse und deren Spiegelung in Stadtraum und Architektur.“
Die Jury sprach darüber hinaus zwei Anerkennungen aus, die mit 2.500 bzw. 1.500 Euro dotiert sind
Davin Schröder, FH Dortmund: "The Earth School - Secondary school in Kafountine, Senegal"
Jurybegründung (Auszug):
„Die hohe Zuwanderung in der Küstenstadt Kafountine in Senegal machte den Bau einer Mittelschule (Secondary School) erforderlich. Unter der Prämisse, einfaches Bauen in Entwicklungsländern mit den Vorgaben eines nachhaltigen Umgangs mit der Natur sowie mit regionalen Ressourcen und der vorhandenen Vegetation umzusetzen, wurde ein markantes Ensemble entwickelt. Das Konzept der „grünen Schule“ wurde mit der Einbindung vorhandener Bäume und Pflanzen sowie der Erstellung eines „grünen Zauns“, der aus einer Vielzahl von Bäumen das Areal umgibt, optimal gelöst. [..]
Die ambitionierte, selbstgesuchte Aufgabenstellung und ihre überzeugende Lösung haben die Jury in besonderer Weise beeindruckt.“
Joshua Karategin, PBSA Düsseldorf: "Crossfloat"
Jurybegründung (Auszug):
„Die Arbeit „Crossfloat“ reagiert auf die dramatischen Herausforderungen, die der Klimawandel mit seinen Folgeerscheinungen - wie z. B. Hochwasserentwicklung - mit sich bringt. Interventionsraum ist eine Meeresbucht an der Westküste Südkoreas. Es geht in der Umgebung der bisherigen, aufgeschütteten Planstadt Songdo City in Südkorea darum, eine schwimmende, vielfältige Stadt zu entwickeln, die sich unter Berücksichitgung der besonderen Eigenschaften des Wassers erweitern, zusammenrücken, vergrößern und verkleinern kann.
Die Jury war begeistert von dem planerischen, bisher noch theoretischen Ansatz, eine ständige und schnelle Adaptierbarkeit des städtischen Systems in drohenden Krisensituationen zu erzeugen.“
Hinweis an die Redaktionen:
Fotos der ausgezeichneten Arbeiten zum Download finden Sie hier. Weitere Fotos der Arbeiten der Preisträger sowie Portraitbilder senden wir Ihnen gerne per E-Mail zu. Anruf genügt unter (0211) 49 67 34/35.
Über die Stiftung Deutscher Architekten
Die Stiftung Deutscher Architekten will die Baukultur in Nordrhein-Westfalen voranbringen. Sie setzt sich dafür ein, dass Architektur und Städtebau öffentliche Themen werden, über die man in NRW spricht. Gestiftet 1985 von der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, hat sie folgende Aufgaben:
• Förderung der Architektur, der Baukultur und des Bauwesens (u.a. als Gesellschafterin des Baukunstarchivs NRW)
• Angebote zur Berufsfortbildung (z. B. durch Entwurfsseminare, Fachexkursionen, Förderpreise)
• Wissenschaftliche Veranstaltungen und Förderung von Promotionsvorhaben
• Durchführung von Forschungsvorhaben auf den Gebieten Raum- und Städteplanung
sowie der Bau- und Landschaftsplanung
Teilen via