Bescheinigung des Sachverständigen nur bei Einhaltung des Baurechts
Architekt S. ist zugleich staatlich anerkannter Sachverständiger für die Prüfung des Brandschutzes. Er wendet sich an die Architektenkammer NRW und bittet um Rechtsauskunft zu folgendem Problem:
"Ein Auftraggeber hatte mich im Zusammenhang mit der Errichtung eines Mehrfamilienhauses als staatlich anerkannter Sachverständiger beauftragt zu bescheinigen, dass das Vorhaben des Auftraggebers den Anforderungen an den Brandschutz entspricht. Bei der Prüfung der vorgelegten Planung für dieses Vorhaben habe ich festgestellt, dass die Planung eine Abweichung von den brandschutztechnischen Vorschriften aufweist, da der Gebäudeabstand zur öffentlichen Verkehrsfläche mit 10 m größer als die nach § 5 Abs. 5 BauO NRW höchstens vorgesehenen 9 m Abstand vom Gebäude zur öffentlichen Verkehrsfläche ist. Darf ich die Bescheinigung zum Zwecke der Beschleunigung des Bauantragsverfahrens unter Hinweis auf die Abweichung und notwendige Planänderung bereits erstellen?"
Nein. Vor Erteilung der Bescheinigung für den Brandschutz nach § 68 Abs. 2 Nr. 3 BauO NRW in Verbindung mit § 16 Abs. 1 SV-VO haben Sie als staatlich anerkannter Sachverständiger zunächst zu prüfen, ob das Vorhaben den Anforderungen an den baulichen Brandschutz entspricht. Sie haben gegenüber der Bauaufsicht im Rahmen des Bauantragsverfahrens die Vollständigkeit und Richtigkeit der brandschutztechnischen Nachweise zu bescheinigen. Hierzu gehört der Prüfbericht, in dem Umfang und Ergebnis der Prüfung niederzulegen sind, und eine Ausfertigung der brandschutztechnisch geprüften Bauvorlagen.
Bei Feststellung einer Abweichung von den brandschutztechnischen Vorschriften der Bauordnung darf die Bescheinigung nicht erteilt werden. In dem von Ihnen geschilderten Fall beträgt der Gebäudeabstand zur öffentlichen Verkehrsfläche 10 m und stellt damit eine Abweichung von § 5 Abs. 5 BauO NRW dar, wonach der Gebäudeabstand höchstens 9 m betragen darf, damit ein Aufstellen von Hubrettungsfahrzeugen und Anleitern im erforderlichen Abstand möglich ist. Die Bescheinigung darf daher in dem von Ihnen vorgetragenen Fall für Ihren Auftraggeber zunächst nicht erteilt werden. Eine Bescheinigung dürfte erst nach erforderlicher Planänderung oder Aufzeigen eines Rettungsweges ohne Anleitern erstellt werden.
Praxistipp:
Selbst wenn es aus Sicht des Bauherrn Argumente geben könnte, das Verfahren abzukürzen, indem unter Hinweis auf die Abweichungen und vorzunehmenden Planänderungen eine Bescheinigung bereits erteilt wird, ist dieses Vorgehen rechtlich unzulässig. Staatlich anerkannte Sachverständige haben ihre Tätigkeit gemäß § 6 SV-VO unparteilich und gewissenhaft gemäß dem geltenden Recht auszuüben. Bei bauordnungsrechtlichen Abweichungen der Planung vom geltenden Recht darf daher die Bescheinigung nicht ausgestellt werden. Andernfalls verletzt der Sachverständige seine Pflichten als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger. Bei wiederholten oder gröblichen Verstößen ist die staatliche Anerkennung durch die Architektenkammer NRW zu widerrufen.
Darüber hinaus hat auch der planende Architekt in seiner Eigenschaft als Entwurfsverfasser darauf zu achten, dass im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens nur Bescheinigungen des staatlich anerkannten Sachverständigen erteilt und vorgelegt werden, wenn das Vorhaben dem Brandschutz entspricht.
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