Das Koppelungsverbot - berufspolitisch abzulehnen, juristisch aber weiterhin aktuell

11. Dezember 2013von Dr. Florian Hartmann, Dezember 2013

Architektin A wendet sich an die AKNW und schildert folgenden Sachverhalt: „In meiner Heimatstadt veräußert die Gemeinde Grundstücke. Auch ich habe Interesse, ein Grundstück zu erwerben, um dort für meine Familie ein Wohnhaus zu planen. Bei der Gemeinde teilte man mir mit, ich könne gerne ein Grundstück erwerben. Zwingende Voraussetzung für den Erwerb sei allerdings, dass ich der Stadt einen unterschriebenen Architektenvertrag mit dem Architekturbüro B vorlege. Über diese Auskunft war ich sehr verwundert, rief die Kollegen im Architekturbüro B an und teilte diesen mit, dass eine derartige Vorgehensweise mit dem Koppelungsverbot unvereinbar sei, ein Architektenvertrag zwischen mir und dem Architekturbüro B also gar nicht wirksam geschlossen werden könne. Die Kollegen im Architekturbüro B erwiderten: Nach einer aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) gelte das Koppelungsverbot dann nicht, wenn ein Architekt aus einem gemeindlichen Architektenwettbewerb als Sieger hervorgegangen sei, ihm zur Verwirklichung der Zielvorstellungen des Wettbewerbs die Grundstücke von der Gemeinde an die Hand gegeben wurden und Bauwillige von der Gemeinde an den Architekten verwiesen wurden. Wie meine Recherchen ergaben, war das Architekturbüro B tatsächlich aus einem „Planungswettbewerb“ als Sieger hervorgegangen. In dem Auslobungstext hatte es u.a. geheißen: „Die Stadt sucht Architekten, die bereit sind, für das betreffende Gebiet einen bebauungsplankonformen Entwurf vorzulegen. Eine Vergütung der Entwürfe ist nicht vorgesehen.“ Meine Frage an die AKNW: Gilt das Koppelungsverbot in der beschriebenen Konstellation – Architekt als Sieger in einem gemeindlichen Planungswettbewerb – noch?“

Ja. Der BGH hat sich in der erwähnten Entscheidung (Urteil v. 22.7.2010, Az.: VII ZR 144/09) nicht vom Koppelungsverbot im Zusammenhang mit gemeindlichen Planungswettbewerben verabschiedet.
Das Koppelungsverbot ist in § 3 des Gesetzes zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen vom 04.11.1971 (Art. 10 § 3 MRVG) geregelt. Danach ist eine Vereinbarung nichtig, durch die der Erwerber eines Grundstücks sich im Zusammenhang mit dem Erwerb verpflichtet, bei der Planung oder Ausführung eines Bauwerks auf dem Grundstück die Leistung eines bestimmten Architekten in Anspruch zu nehmen (Koppelungsverbot).

Ziel dieser Regelung ist es, so die Gesetzesbegründung, den Käufer eines Grundstückes nicht in der freien Wahl des Architekten zu behindern. Es solle jegliche Koppelung zwischen Grunderwerb und Architektenauftrag unterbunden werden. Das Koppelungsverbot richtet sich deshalb gegen jede den Wettbewerb unter Architekten beeinträchti-gende Bindung des Bauherrn, sofern diese mit dem Erwerb des Grundstücks zusammenhängt. Ein derartiger Zusammenhang besteht nach der Rechtsprechung bei jeder Verpflichtung des Erwerbers zur Inanspruchnahme von Architektenleistungen, ohne die er rechtlich oder tatsächlich das Grundstück nicht hätte bekommen können. Ein Architektenvertrag, der unter Verstoß gegen das Koppelungsverbot abgeschlossen wird, ist von Anfang an unwirksam (nichtig).
Vor diesem Hintergrund hatte der BGH bereits im Jahre 1982 entschieden, dass das Koppelungsverbot auch dann gelte, wenn ein Architekt aus einem gemeindlichen Architektenwettbewerb als Sieger hervorgegangen sei und ihm zur Verwirklichung der Zielvorstellungen des Wettbewerbs die Grundstücke von der Gemeinde an die Hand gegeben wurden und Bauwillige von der Gemeinde an den Architekten verwiesen wurden (Urteil v. 24.06.1982, Az.: VII ZR 253/81).

An dieser Rechtsprechung ändert das vom Architekturbüro B angeführte BGH-Urteil nichts. In dieser Entscheidung ging es einzig und allein um die Frage, ob das Koppelungsverbot mit dem Grundgesetz – u.a. mit der Berufsfreiheit und dem Gleichheitsgrundsatz – vereinbar sei. Das hat der BGH bejaht. Die Entscheidung der Frage, ob das Koppelungs-verbot auch bei gemeindlichen Planungswett-bewerben gelte, haben die Bundesrichter je-doch ausdrücklich offen gelassen. Dabei bleibt es bei der restriktiven BGH-Rechtsprechung aus 1982.

Zudem hinkt der Verweis des Architekturbüros B auf das aktuelle BGH-Urteil ohnehin: Selbst wenn man das Urteil – fälschlicher-weise! – so verstehen wollte, dass das Koppelungsverbot bei gemeindlichen Planungswettbewerben nicht mehr gelten sollte, handelte es sich bei dem geschilderten „Wettbewerb“ nicht um einen Wettbewerb, der nach den Bestimmungen der RAW 2004 durchgeführt wurde. Nach § 4 RAW 2004 hat der Auslober für Preise und Anerkennungen einen Gesamtbetrag (Wettbewerbssumme) zur Verfügung zu stellen. Die Berechnungsgrundlage der Wettbewerbssumme ist das Honorar, das üblicherweise für die geforderte Wettbewerbsleistung nach HOAI vergütet wird. Das ist hier unterblieben. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollten kostenlose Planungen abliefern.

Die Diskussion, ob sich der BGH von der Geltung des Koppelungsverbots bei gemeindlichen Planungswettbewerben verabschiedet hat oder nicht, ist für Architektinnen und Architekten keine bloße akademische Frage, sondern kann gravierende Folgen haben. Im geschilderten Fallbeispiel bedeutet das für das Architekturbüro B: Ein Architektenvertrag zwischen Architektin A und dem Architekturbüro B kann schon nicht wirksam zustande kommen. Der Architektenvertrag ist von Anfang an unwirksam (nichtig). Wäre das Bauvorhaben – auf Grundlage des nichtigen Architektenvertrages – dennoch beendet worden oder wären zumindest verwertbare Teilleistungen erbracht worden, hätte das Archi-tekturbüro B lediglich einen Vergütungsanspruch auf die Mindestsätze der HOAI.

Aus berufspolitischer Sicht ist noch anzumerken:

Die AKNW lehnt das Koppelungsverbot ab und tritt für dessen Abschaffung ein. Es ist nicht einzusehen, dass Architektinnen und Architekten etwas verboten sein soll, was Bauträger, Baubetreuungsunternehmer, Ge-neralunternehmer mit Planungsverpflichtung und Generalübernehmer jeden Tag tun. Diese offensichtliche Ungleichbehandlung ist nicht gerechtfertigt und benachteiligt die Architektenschaft massiv.

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