Ein Architekt im Weihnachtsurlaub
Architekt A schildert der Architektenkammer folgenden Sachverhalt:
„Ich bin mit der Überwachung eines Gebäudeneubaus beauftragt worden. Die Ausführung der Gewerke Heizung und Sanitär hat der Bauherr selbst übernommen. Kurz vor Weihnachten ist im Rahmen einer Besprechung, an der auch ich teilgenommen habe, die Möglichkeit der Inbetriebnahme einer Heizungsanlage bzw. einer provisorischen Bauheizung zumindest für Teile des noch im Rohbauzustand befindlichen Gebäudes ab Anfang Januar diskutiert worden. Im Zeitpunkt der Besprechung war die Öffnung von der Treppe des Hauses zum Dachboden noch nicht verschlossen. Ich nahm damals an, dass es allenfalls um eine provisorische Beheizung des Heizraums gehen sollte, habe mich jedoch im Rahmen der Besprechung nicht weiter zu diesem Thema geäußert.
Bald darauf ging ich für einige Tage in den Weihnachtsurlaub. Als ich zurückkam, musste ich feststellen, dass offenbar seit Anfang Januar das gesamte Gebäude beheizt worden war. Wenig später kam es unter dem Dach zu massiver Schimmelbildung. Ein Sachverständiger stellte fest, diese sei darauf zurückzuführen, dass die warme und im Rohbau naturgemäß sehr feuchte Luft aufgrund des fehlenden Abschlusses zum Dachboden hin ungehindert nach dort habe aufsteigen können, so dass die Feuchtigkeit unter dem Dach kondensierte. - Kann ich nun für den Schaden haftbar gemacht werden?“
Durchaus möglich. Das OLG München hat den Architekten in einer ähnlichen Konstellation jüngst als schadensersatzpflichtig angesehen (Urteil vom 27.11.2013 - 13 U 835/13, ibr-online; Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wurde vom BGH zurückgewiesen, Beschluss vom 14.08.2014 - VII ZR 346/13). Der Architekt habe es versäumt, die Gewerke ordnungsgemäß zu koordinieren und den Bauherrn vor Baumängeln und Schaden zu bewahren.
Dabei sei es unerheblich, dass der Bauherr das Gewerk der Heizung selbst zu verantworten hatte, denn auch dann obliege es dem bauleitenden Architekten, dafür zu sorgen, dass andere Gewerke durch entsprechende Maßnahmen nicht in Mitleidenschaft gezogen würden. Ferner komme es nicht darauf an, ob der Architekt womöglich davon ausgegangen sei, es sei nur eine Beheizung des eigentlichen Heizraumes angedacht. Selbst dann nämlich habe er zumindest damit rechnen müssen, dass dieser Raum nicht stets verschlossen gehalten werden würde und die warme Luft ggf. von dort durch das Haus nach oben ziehen werde. Diesen Kamineffekt und die daraus resultierende Gefahr einer Schimmelbildung unter dem Dach habe er vorhersehen müssen. Als Fachmann habe er auf das Risiko hinweisen und entweder für das Verschließen der Öffnung zum Dach hin Sorge tragen oder jedenfalls darauf drängen müssen, die Türen beheizter Räume stets verschlossen zu halten. Stattdessen habe er sich in den Urlaub verabschiedet und den Rohbau somit seinem Schicksal überlassen.
Praxistipp
Das Urteil zeigt, welch hohe Anforderungen die Rechtsprechung an die sorgsame Erfüllung der Architektenpflichten im Rahmen der Bauüberwachung stellt. Der Architekt hat demnach alle Arbeiten in angemessener und zumutbarer Weise zu überwachen und sich durch häufige Kontrollen zu vergewissern, dass seine Anweisungen sachgerecht erledigt werden. Bei wichtigen oder kritischen Baumaßnahmen, die erfahrungsgemäß ein hohes Mängelrisiko aufweisen, ist er zu erhöhter Aufmerksamkeit und zu einer intensiveren Wahrnehmung der Bauaufsicht verpflichtet.
Wenn andere Baubeteiligte laut über Maßnahmen nachdenken, die zu Mängeln am Gebäude führen können, sollte der mit der Bauüberwachung betraute Architekt deshalb hellhörig werden und möglichst direkt auf die Risiken entsprechenden Vorgehens hinweisen bzw. risikoärmere Alternativen aufzeigen. Das gilt auch dann, wenn die Maßnahmen zwar unmittelbar nur solche Gewerke betreffen, die in Eigenregie ausgeführt werden, deren Ausführung aber auf andere Gewerke oder das Bauwerk insgesamt auswirken kann. Frühzeitige Hinweise sind insbesondere dann geboten, wenn der Architekt – etwa wegen eines bevorstehenden Urlaubs – die Abläufe vor Ort und damit auch ein risikobehaftetes Vorgehen einzelner Beteiligter nicht engmaschig kontrollieren und beeinflussen kann. Im eigenen Interesse sollte er solche Hinweise stets protokollieren.
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