Empfehlung oder Mindeststandard?

Architektin A wendet sich mit folgender Frage an die Rechtsberatung der AKNW: „Von meinem Auftraggeber wurde ich mit Generalplanungsleistungen einschließlich der Bauüberwachung für den Neubau von vier Mehrfamilienhäusern mit Mietwohnungen beauftragt. Dazu gehörten auch Leistungen für das Gewerk Elektroinstallationen (KG440/450). Die Wohnungen sind öffentlich geförderter Wohnungsbau. Die Einhaltung der DIN 18015-2 wurde nicht explizit vereinbart. Dem Vertrag liegt eine Baubeschreibung zugrunde, in dem ein für den öffentlich geförderten, mietpreisgedämpften Wohnungsbau üblicher Baustandard festgelegt war. Während der Bauausführung stellte ein Kaufinteressent für das Bauvorhaben fest, dass die Mindestanforderungen nach DIN 18015-2 hinsichtlich der Anzahl von Steckdosen nicht eingehalten sind, und verlangt deren Einhaltung. Besteht die Gefahr, dass die Planung für das Gewerk Elektroinstallationen mangelhaft ist, weil sie hinsichtlich der Anzahl der Steckdosen nicht den Mindestvorgaben nach DIN entspricht und darin ein Mangel wegen Abweichens von den anerkannten Regeln der Technik gesehen werden könnte?“

19. Oktober 2024von Dorothee Dieudonné

Planungsleistungen für ein Gewerk haben ohne ausdrückliche Vereinbarung einer Beschaffenheit den anerkannten Regeln der Technik zu genügen. Die Mangelhaftigkeit der Planungsleistung für das Gewerk E aufgrund
der Nichteinhaltung der Mindeststandards der DIN 18015-2 kommt daher in Betracht, wenn die DIN-Norm die Vermutungswirkung hat, allgemein anerkannte Regel der Technik zu sein. In seiner aktuellen Entscheidung
vom 09.02.2023 (AZ: 5 U 227/21, NJW-RR 2023,723) hat das OLG Düsseldorf jedoch festgestellt, dass die DIN 18015-2 lediglich ein gehobenes Ausstattungsniveau für Elektroinstallationen beschreibt und keine
allgemein anerkannte Regel der Technik enthält. Solche sind, so bestätigt das Gericht, diejenigen technischen Regeln für den Entwurf und die Ausführung baulicher Anlagen, die in der Wissenschaft als theoretisch
richtig erkannt sind und feststehen, sowie insbesondere in dem Kreise der für die Anwendung der betreffenden Regeln maßgeblichen, nach neuesten Erkenntnisstand vorgebildeten Techniker durchweg bekannt und
aufgrund fortdauernder praktischer Erfahrung als technisch geeignet, angemessen und notwendig anerkannt sind.

Das OLG Düsseldorf hat in Bezug auf die DIN 18015-2 grundsätzlich in Frage gestellt, dass die Norm von ihrem Regelungsgehalt nach überhaupt geeignet ist, die Vermutungswirkung, allgemein anerkannte Regel der Technik zu sein, für sich in Anspruch zu nehmen. Das Gericht hat ausgeführt, dass es keine Rechtfertigung für eine allgemeine Vermutungswirkung gibt, wonach DIN-Normen allgemein anerkannte Regeln der Technik sind, wenn der Inhalt der Normen reine Ausstattungsfragen ohne Bezug zum Sicherheits- oder Qualitätsniveau betrifft. Aus Sicht des Gerichts ist zu differenzieren zwischen DIN-Normen mit sicherheitstechnischen Festlegungen und solchen, die lediglich ein Ausstattungsniveau beschreiben, das Komfortansprüchen dient. Diese treffen zu den Regeln der Technik oder sicherheitstechnischen Anforderungen keine Aussage. Unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung des OLG Düsseldorf dürften die von Ihnen vertraglich geschuldeten Planungsleistungen für das Gewerk E daher nicht allein deshalb mangelhaft sein, weil die Anforderungen der DIN 18015-2 in Ihrem Fall nicht eingehalten wurden. Ein Mangel scheidet insbesondere dann aus, wenn das Bauvorhaben auf Schaffung besonders preiswerten Wohnraums zielt und die Einhaltung der DIN auch nicht vertraglich vereinbart wurde.

Praxistipp:

Das aktuelle Urteil des OLG Düsseldorf stellt klar, dass DIN-Normen nicht von vornherein als werkvertraglicher Mindeststandard anzusehen sind, sondern als Handlungsempfehlungen. Sehr oft beschreiben Normen einen höheren Standard, der für die Verwendungseignung nicht notwendig ist. Wenn aber der für die Verwendungseignung nötige Mindeststandard unterschritten wird, trifft das auch für allgemein anerkannte Regeln der
Technik zu. Anders liegt es bei DIN-Normen, die nicht für die Verwendungseignung einschließlich der Sicherheit Notwendiges beschreiben, sondern Komfortstandards. Zur Vermeidung von späteren Haftungsproblemen
sollte der Baustandard im Vertrag jedoch eindeutig festgelegt werden. Mit dem Gebäudetyp-E-Gesetz soll es zukünftig einfacher werden, beim Neubau auf die Einhaltung von Komfort-Standards zu verzichten.

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