Enthaftung bei vom Bauherren favorisierter Lösung

Architektin A wendet sich an die Architektenkammer NRW mit der folgenden Frage: "An einem von mir betreuten, erst kürzlich abgeschlossenen Bauvorhaben sind nach starken Regenfällen Feuchtigkeitsschäden aufgetreten. Ein Sachverständiger kommt zu dem Ergebnis, dass die zur Ausführung gelangte Rigole ungeeignet sei, im konkreten Objekt eine ausreichende Entwässerung des Terrassenbereiches sicherzustellen. Die Rigole ist auf ausdrücklichem Wunsch der Bauherren verbaut worden. Der Schaden wäre laut Ausführungen des Sachverständigen nicht eingetreten, wenn – wie von mir vorgeschlagen – statt einer Rigole ein Sickerschacht mit Tauchpumpe eingebaut worden wäre. Muss ich für den Schaden aufkommen?"

09. November 2020von Dr. Volker Steves

Ja, sofern Sie die Bauherren nicht ausreichend über die Risiko-haftigkeit der von ihnen favorisierten Lösung (=Rigole) aufgeklärt haben. 

Das OLG Karlsruhe hat in einer Entscheidung vom 10.12.2018 – AZ: 19 U 83/16, abgedruckt in IBR 2020,188 – entschieden, dass ein auf dem Vorwurf fehlerhafter Planung gestützter Schadenersatzanspruch gegen die Architekten ausgeschlossen sei, wenn die zur Ausführung gelangte Lösung auf ausdrücklichem Wunsch des Bauherrn erfolgt sei und der Bauherr die Bedeutung und Tragweite der Fehlerhaftigkeit der Planung erkannt habe. Dazu müsse der Planer den Bauherrn über die mit der Umsetzung des Wunsches einhergehenden Risiken aufklären und belehren (vgl. hierzu auch BGH IBR 1996, 373 sowie BGH IBRRS 1964,0315).

In der Praxis stellt sich für den Planer eine solche Aufklärung bzw. Belehrung häufig als eine kaum zu bewältigende Aufgabe dar.  Die Rechtsprechung legt diesbezüglich strenge Maßstäbe an.

Durch die Aufklärung muss der Bauherr in die Lage versetzt werden, die Risiken – einschließlich der Spätfolgen – der gewünschten Vorgehensweise in ihrer Gänze zu erkennen und eine auf der Grundlage dieser Kenntnis beruhende Risikoabwägung vorzunehmen. Dazu muss der Bauherr gleichsam „auf das Wissensniveau des Planers gehoben“ werden. Die Aufklärung muss detailliert und in einer für den Bauherrn verständlichen Sprache erfolgen. Sprache und Umfang der Aufklärung richten sich nach dem Kenntnisstand und Erwartungshorizont des Bauherrn im Einzelfall (OLG Stuttgart 2012,179).

Der Umfang der Aufklärung ist abhängig von der Sachkunde des Bauherrn: Je sachunkundiger der Auftraggeber ist, desto umfangreicher muss die Aufklärung sein.
Da dem Planer die Beweislast für eine umfassende Aufklärung über die Risiken der vom Bauherrn gewünschten Vorgehensweise obliegt, sollte diese schriftlich erfolgen und in eine von beiden Vertragsparteien zu unterzeichnende (schriftliche) Haftungsfreizeichnungsvereinbarung gekleidet werden. Dort sollte der Sachverhalt zunächst inklusive der Risiken und (sicherer) Alternativmöglichkeiten detailliert beschrieben werden, und der Bauherr sollte sodann erklären, dass er in Kenntnis der zuvor dargestellten Risiken und Alternativen dennoch eine bestimmte Vorgehensweise wolle. 

Bei komplexen Sachverhalten und mangelnder Sachkunde des Bauherrn kann bzw. muss eine solche Vereinbarung mehrere Seiten umfassen.

Praxistipp

In der Praxis zeigt sich, dass viele Planer der Abfassung einer entsprechenden Haftungsfreizeichnungsvereinbarung nicht die erforderliche Aufmerksamkeit und Zeit widmen. Es kann an dieser Stelle nur davor gewarnt werden, auf Formschreiben oder Musterformulierungen zurückzugreifen und sie nicht an die Besonderheiten des Einzelfalles anzupassen.

Es droht ansonsten ein böses Erwachen: Die Bedingungen der Berufshaftpflichtversicherungen sehen regelmäßig vor, dass von der Berufshaftpflichtversicherung Ansprüche wegen Schä-den ausgeschlossen sind, die der Versicherungsnehmer durch ein bewusst gesetz-, vorschrifts- oder sonst pflichtwidriges Ver-halten (Tun oder Unterlassen) verursacht hat. Die Vorausset-zungen dieses Haftungsausschlusstatbestandes sind in der Regel erfüllt, wenn ein Planer – wenn auch auf Wunsch des Bauherrn – Planungen vornimmt, von deren Ungeeignetheit zur Erreichung des Planungszieles er Kenntnis hat.

Sollte der Bauherr nicht willens sein, eine Haftungsfreizeichnungsvereinbarung zu unterzeichnen, dann sollte sich der Planer um eine einvernehmliche Vertragsaufhebung mit dem Bauherrn bemühen. Lässt sich eine solche nicht durchsetzen, sollte erwogen werden, den Vertrag aus wichtigem Grunde gem. § 648 a BGB zu kündigen (so etwa Preussner, IBR 2020, 188). Da eine jede Kündigung aus wichtigem Grunde „riskant“ ist, sollte vor einem solchen Schritt das Risiko der Unwirksamkeit der Kündi-gung gegen das Haftungsrisiko des Planers im Falle einer „fehlerhaften“ Planung abgewogen werden.

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