Keine Kürzung der Vergütung des Sachverständigen ohne Anhaltspunkte

16. Juli 2018von Dorothee Dieudonné

Architektin A wendet sich an die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen und bittet um Beantwortung folgender Rechtsfrage: „Im Rahmen meiner Tätigkeit als öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige habe ich ein Gerichtsgutachten in meinem Sachgebiet ‚Schäden an Gebäuden‘ für das Landgericht Kleve nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) abzurechnen. Für mich stellt sich die Frage, ob ich tatsächlich minutengenau abrechnen muss und ob ich auch damit rechnen muss, dass der Kostenbeamte meine Vergütung kürzen kann, weil ich mit der von mir angesetzten Stundenzahl von 15,25 Stunden mehr Zeit benötigt habe, als der Kostenbeamte für angemessen hält. - Wie ist derzeit die Rechtslage bei der Abrechnung?“

Gemäß § 8 Abs. 2 S.1 JVEG ist die Vergütung des Sachverständigen nach der erforderlichen Zeit zu bemessen. Welche Zeit erforderlich ist, hängt nicht von der individuellen Arbeitsweise des einzelnen Sachverständigen ab, sondern ist nach objektivem Maßstab zu bestimmen. Bei der Bemessung der erforderlichen Zeit gemäß § 8 JVEG ist danach nicht auf die vom Sachverständigen tatsächlich aufgewendete Zeit, sondern auf denjenigen Zeitaufwand abzustellen, den ein Sachverständiger mit durchschnittlichen Fähigkeiten und Kenntnissen braucht, um sich nach sorgfältigem Aktenstudium ein Bild von den zu beantworteten Fragen machen zu können und nach eingehenden Überlegungen seine gutachterliche Stellungnahme zu den ihm gestellten Fragen schriftlich niederzulegen.

Dabei sind der Umfang des ihm unterbreiteten Streitstoffs, der Grad der Schwierigkeit der zu beantwortenden Fragen unter Berücksichtigung seiner Sachkunde auf dem betreffenden Gebiet, der Umfang seines Gutachtens und die Bedeutung der Streitsache nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung angemessen zu berücksichtigen.Das LG Düsseldorf hat allerdings in seiner Entscheidung vom 28.03.2018 (AZ: 11 C 297/16) auch die ständige Rechtsprechung bestätigt, dass eine Kürzung der erforderlichen Zeit nicht allein mit allgemeinen Plausibilitätserwägungen zu rechtfertigen ist.

Darüber hinaus hat das LG Düsseldorf in dieser Entscheidung auch festgestellt, dass das Erfordernis einer minutengenauen Abrechnung sich jedenfalls nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Soweit in einer Rundverfügung des Justizministeriums NRW vom 05.04.2017 (5600-Z.307/JVEG ) eine andere Auffassung vertreten wird, kommt diesem landesministeriellen Verständnis eines Bundesgesetzes keine besondere Bedeutung zu, zumal sie eine nähere Begründung und eine Auseinandersetzung mit entgegenstehender Rechtsprechung vermissen lässt.Unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung kann jedenfalls dann dahinstehen, ob § 8 Abs. 2 JVEG eine minutengenaue Abrechnung erfordert, wenn die Voraussetzungen für eine Kürzung des Honorars ohnehin nicht vorliegen.

Ein Anlass zur Nachprüfung, ob die vom Sachverständigen angegebene Zeit auch erforderlich war, besteht nach der ständigen Rechtsprechung nur dann, wenn der angesetzte Zeitaufwand im Verhältnis zur erbrachten Leistung bei objektiver Betrachtung ungewöhnlich hoch erscheint.

Wenn in Ihrem Fall nicht erkennbar ist, dass die von Ihnen als Sachverständige aufgewendete Zeit nach objektiven Maßstäben zu hoch ist, also ein Sachverständiger mit durchschnittlichen Kenntnissen und Fähigkeiten weniger Zeit für die Erstellung des Gutachtens benötigt hätte, darf die Vergütung nicht pauschal unter allgemeinen Plausibilitätserwägungen gekürzt werden. Auf die Frage, ob § 8 Abs. 2 JVEG eine minutengenaue Abrechnung verlangt, kommt es dann, wenn die Voraussetzungen für eine Kürzung des Stundenhonorars nicht vorliegen, nach der aktuellen Rechtsprechung des LG Düsseldorf nicht mehr an.

Praxistipp:
Sachverständige haben bei der Abrechnung von Gutachten für Gerichte nach JVEG zu berücksichtigen, dass, anders als bei Privatgutachten, nicht der tatsächliche Aufwand, sondern die objektiv erforderliche Zeit vergütet wird. In den Musterformularen der Justiz (TSJ-Formulare) wird zudem auf die minutengenaue Abrechnung gemäß Rundverfügung des Justizministeriums hingewiesen. Zur Vermeidung von Streitigkeiten mit Kostenbeamten ist es daher weiterhin für Gerichtsgutachter ratsam, dass sie in ihrer Abrechnung die einzelnen erbrachten Leistungen nach dem tatsächlichen Aufwand jeweils minutengenau angeben.

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