Kündigungsrecht des Auftraggebers
Architektin A. wendet sich mit folgender Frage an die Architek-tenkammer NRW: „In einem von mir betreuten Bauvorhaben sind mir Mängel sowohl in der Ausführungsplanung als auch in der Bauüberwachung unterlaufen. Der Bauherr hat den Architektenvertrag daraufhin fristlos gekündigt. Eine Abmahnung war zuvor nicht ausgesprochen worden. Ist die Kündigung rechtens?“
Die Antwortet lautet: Ja, sofern die Pflichtverletzungen gravierend sind und sich die Mängel bereits in dem Bauwerk manifestiert haben (vgl. hierzu OLG Brandenburg, Urteil vom 05.04.2017 – 4 U 112/14, veröffentlicht u.a. in IBR 2017, S. 381 f.).
Gem. § 314 Abs. 1 BGB kann ein Vertragsverhältnis aus wichtigem Grund fristlos gekündigt werden, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beider- seitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht mehr zugemutet werden kann. Bei einem Architektenvertrag gesteht der Bundesgerichtshof dem Auftraggeber ein solches außerordentliches Kündigungsrecht für den Fall zu, dass der Architekt das für den Bau- oder Architektenvertrag als eines auf Kooperation der Vertragspartner angelegten Langzeitvertrags vorauszusetzende Vertrauensverhältnis durch sein schuldhaftes Verhalten derart empfindlich gestört hat, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet und dem Auftraggeber die Vertragsfortsetzung nicht mehr zumutbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 7. April 2016 – VII ZR 56/15 – Rdnr. 52).
Erforderlich ist stets eine schwere schuldhafte Verletzung des vertraglichen Vertrauensverhältnisses. Ob eine solche Konstellation angenommen werden kann, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Während z.B. verbale Entgleisungen und selbstverständlich auch Tätlichkeiten schon bei einem einmaligen Vorkommen ein Recht zur außerordentlichen Kündigung zu begründen vermögen, ist dies bei „bloß“ mangelhafter Planungs- und Überwachungsleistung des Architekten in der Regel nicht der Fall. Der Auftraggeber muss in diesen Fällen den Vertrag fortsetzen und ist im Wesentlichen auf die Wahrnehmung von Gewährleistungsansprüchen, allgemeinen Schadenersatzansprüchen oder Leistungsverweigerungsrechten beschränkt. Ein Rücktrittsrecht kann bei Architekten- und Ingenieurverträgen nur selten angenommen werden (vgl. hierzu Thierau/Schmidt in Praxishandbuch Architektenrecht, hrsg. von Thode/Wirth/Kuffer, 2. Auflage, § 9 Rdnr. 74).
In dem vom OLG Brandenburg – a.a.O. – entschiedenen Fall war der Architekt in seiner Ausführungsplanung mehrfach von der von ihm selbst (!) beantragten Baugenehmigung abgewichen; die von ihm erbrachte Ausführungsplanung litt somit in mehrfacher Hinsicht unter erheblichen Mängeln. Da der Architekt auch mit der LPH 8 beauftragt war, konnte ihm darüber hinaus auch eine mangelhafte Bauüberwachung vorgeworfen werden. Nach Auffassung des OLG Brandenburg hatten diese Pflichtverletzungen in ihrer Fülle ein solches Gewicht, dass das Vertrauen des Auftraggebers, mit Hilfe der Sachkunde des Architekten „ein nicht nur (seinen) Wünschen, sondern auch den baurechtlichen Bestimmungen entsprechendes Haus zu errichten, in nicht wiedergutzumachender Weise empfindlich gestört war“ (vgl. OLG Brandenburg a.a.O.).
Dass der Auftraggeber vor Ausspruch der Kündigung die Fehler der Architektenleistung nicht gem. § 314 Abs. 2 BGB gerügt bzw. angemahnt habe, sei unerheblich, da die Fehler bereits im Bauwerk verkörpert gewesen seien und daher auch nicht mehr im Wege der Nachbesserung hätten beseitigt werden können.
Praxistipp
Weist die Leistung eines Architekten gravierende Mängel auf und haben sich diese bereits in dem Baukörper realisiert, dann besteht die Gefahr, dass der Auftraggeber dem Architekten den Vertrag durch Ausspruch einer fristlosen Kündigung – ohne vorherige Abmahnung – aus wichtigem Grunde entzieht. Der Architekt sieht sich in einem solchen Fall in aller Regel auch Schadenersatzansprüchen des Auftraggebers ausgesetzt. Der Ausspruch einer fristlosen Kündigung bei gravierenden Mängeln der Architektenleistung ist aber nicht risikolos für den Auftraggeber.
Das Gesetz stellt in § 314 Abs. 1 BGB mit der „Unzumutbarkeit“ der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses auf einen unbestimmten Rechtsbegriff als Voraussetzung für die Annahme eines wichtigen Kündigungsgrundes ab. Ob die Schlechtleistung des Architekten bereits eine solche Unzumutbarkeit begründet und dem Auftraggeber daher ein außerordentliches Kündigungsrecht zusteht, lässt sich regelmäßig auch durch einen juristisch beratenen Auftraggeber nur schwer zuverlässig beurteilen. Bei „üblichen“ Vertragsverletzungen durch den Architekten steht dem Auftraggeber ein außerordentliches Kündigungs- recht nicht zur Verfügung.
In der Vertragspraxis versucht daher der Auftraggeber häufig, dieses Risiko auf den Architekten zu verlagern, indem er diesen durch unsachliche Kritik oder gar Beleidigungen provoziert, für sich ein außerordentliches Kündigungsrecht – dann ebenfalls aufgrund von „Unzumutbarkeit“ der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses – anzunehmen und seinerseits eine außerordentliche Kündigung auszusprechen.Dem Architekten kann in einer solchen Situation nur geraten werden, Ruhe zu bewahren und sich nicht provozieren zu lassen. Das Risiko des Ausspruches einer außerordentlichen Kündigung sollte nur in Ausnahmesituationen eingegangen werden.
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