Mindestsatzrelevante Honorarkomponenten beim Bauen im Bestand
Architektin A wendet sich mit folgender Frage an die Rechtsberatung der Architektenkammer NRW: „Im Herbst letzten Jahres wurde ich mit Leistungen für den Umbau eines Gebäudes beauftragt. Mein Bauherr und ich hatten zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine schriftliche Honorarvereinbarung getroffen, nach der ich meine Grundleistungen pauschal abrechnen soll. Die Arbeiten sind mittlerweile abgeschlossen. Bevor ich meine Schlussrechnung stelle, möchte ich sichergehen, dass meine Abrede mit dem Bauherrn nicht gegen die Mindestsätze verstößt. Können Sie mir sagen, welche Honorarkomponenten ich bei einer Vergleichsberechnung berücksichtigen müsste?“
Das Oberlandesgericht Köln hat sich in seiner Entscheidung vom 29.12.2016 (Az: 16 U 49/12) mit einer solchen Vergleichsberechnung beschäftigt und festgehalten, dass bei der Prüfung, ob eine schriftliche Honorarvereinbarung die Mindestsätze der HOAI unterschreitet, diese mit dem niedrigsten vertretbaren Honorar zu vergleichen ist, welches die Parteien unter Beachtung der HOAI hätten vereinbaren können. Gegenstand des vom OLG behandelten Falls war die Honorarforderung eines Architekten, der mit seinem Auftraggeber ein Honorar auf der Grundlage Mindestsatz, Honorarzone IV und Umbauzuschlag 6 % getroffen hatte. Im Übrigen hatten die Parteien vereinbart, dass die anrechenbaren Kosten unter Ausschluss der mitzuverarbeitenden Bausubstanz ermittelt werden sollten. Der Architekt, der nach Abschluss seiner Leistungen nach den Mindestsätzen abrechnen und dabei auch die mitzuverarbeitende Bausubstanz in Ansatz bringen wollte, unterlag in dem Rechtsstreit: Der Vergleich des gesamten vereinbarten Honorars mit dem sich ergebenden Mindestsatzhonorar (hier aus der HOAI 1996) ergab keine Mindestsatzunterschreitung.
Das Gericht führte aus, dass die mitzuverarbeitende Bausubstanz eine grundsätzlich bei der Mindestsatzberechnung zu berücksichtigende Honorarkomponente sei, sofern diese technisch und gestalterisch mitverarbeitet wurde. Durch die Berücksichtigung der mitzuverarbeitenden Bausubstanz solle dem Umstand Rechnung getragen werden, dass diese zwar Bestandteil des Planungskonzepts sei, daraus aber keine anrechenbaren Kosten entstünden. In dem konkreten Fall wurde der Ausschluss der mitzuverarbeitenden Bausubstanz jedoch durch den vereinbarten Umbauzuschlag von 6 % sowie die zugrunde gelegte Honorarzone IV kompensiert. Die HOAI 1996 setze keinen Mindestzuschlag fest, weshalb der Umbauzuschlag nicht mindestsatzrelevant und folglich auch nicht im Rahmen der Vergleichsberechnung anzusetzen sei. Zur Honorarzone führte das OLG aus, dass für die Ermittlung des fiktiven Mindestsatzes die „aus fachlicher Sicht objektiv richtige Honorarzone“ maßgeblich sei. Die Einordnung in die Honorarzone sei anhand der Bewertungsmerkmale der HOAI vorzunehmen, welche Beurteilungsspielräume enthielten. Nach einem Gerichts- und einem Parteigutachten standen in dem konkreten Fall sowohl die Einordnung in Honorarzone III als auch die in Honorarzone IV mit der HOAI in Einklang. Bei der Ermittlung des fiktiven Mindestsatzes, so das OLG weiter, war die Honorarzone III zugrunde zu legen, denn die Spielräume der HOAI seien „nach unten“ zu nutzen. Die Parteien hätten die Einordnung in Honorarzone III ohne Verstoß gegen die HOAI vereinbaren können.
Praxistipp:
Dem vom OLG Köln entschiedenen Fall lag ein nach der alten HOAI 1996/2002 zu behandelnder Sachverhalt zugrunde. Die Ausführungen des Gerichts zu den mindestsatzrelevanten Honorarkomponenten sind jedoch auf die HOAI 2013 übertragbar. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch Nebenkostenvereinbarungen im Rahmen von Vergleichsberechnungen nicht zu berücksichtigen sind. (BGH, Urteil vom 25.09.2003, Az: VII ZR 13/02 (KG))
Eine Vergleichsberechnung ist immer dann tunlich, wenn die Vertragsparteien einen von den Bestimmungen der HOAI abweichenden Abrechnungsmodus vereinbart haben. Ergibt der Vergleich, dass auch bei Ausnutzung der Spielräume der HOAI „nach unten“ eine Mindestsatzunterschreitung vorliegt, ist die Honorarvereinbarung unwirksam. Ungeachtet dessen kann dem Architekten im Einzelfall nach Treu und Glauben die Abrechnung auf Basis des Mindestsatzes verwehrt sein, wenn der Auftraggeber berechtigt auf die Wirksamkeit der Vereinbarung vertraut hat und sich hierauf in einer Weise eingerichtet hat, dass ihm die Zahlung des Differenzbetrages nach Treu und Glauben nicht zugemutet werden kann. (BGH, Urteil vom 22.05.1997, Az: VII ZR 290/95; OLG Köln, Urteil vom 29.12.2016, Az: 16 U 49/12)
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