Pflichten bei der Bauüberwachung
Architekt A wendet sich mit folgender Frage an die Rechtsberatung der Architektenkammer NRW: „Von einem Bauherrn wurde ich für sein Bauvorhaben, die Sanierung eines Mehrfamilienhauses, mit Leistungen der Leistungsphasen 5 bis 9 nach HOAI beauftragt. Nach der Fertigstellung des Projektes bemerkte man im Bereich der Balkone eine Pfütze und Rost auf Bodenblechen sowie eine angerostete Grundkonstruktion und Zinkausblühungen und Rost an den Unterseiten. Ein Gutachter hat festgestellt, dass der Schaden darauf zurückzuführen ist, dass die vom Bauherrn selbst bestellten Boden-Kassetten-Bleche der Balkone nicht über das meiner Detailplanung entsprechende Gefälle zwischen 1% bis 2% verfügten und darüber hinaus auch nicht hinreichend verzinkt seien. Eine Prüfung der Bleche hatte ich nicht vorgenommen. Hätte ich die Bleche sofort nach der Errichtung geprüft, wäre mir höchst wahrscheinlich aufgefallen, dass das Gefälle nicht der Planung entspricht. Allerdings hätte auch die geringe Zinkdichte des Materials nach einiger Zeit zu demselben Ergebnis, wenn auch nicht im gleichen Ausmaß, geführt. Die Zinkdichte war vom Hersteller zu vertreten, die hätte ich im Rahmen meiner Bauüberwachung nicht überprüfen können. Besteht die Gefahr, dass ich vom Bauherrn auf Schadensersatz in Anspruch genommen werde?“
Tatsächlich kann es zu einem Schadensersatzanspruch kommen.
In einem vergleichbaren Fall hat das OLG Stuttgart (Urteil vom 29.09.2020 - 12 U 461/19) festgestellt, dass der Architekt im Rahmen der Bauüberwachung verpflichtet ist, das Gefälle der Bodenbleche der Balkone unmittelbar nach Errichtung der Balkone zu prüfen. Sodann wäre dem Architekten nach den Ausführungen des Gerichts aufgefallen, dass entgegen der von ihm selbst erstellten Detailplanung kein ausreichendes Gefälle von 1% bis 2% vorhanden war.
Sie hätten also im Rahmen der Bauüberwachung die Bleche prüfen und dabei feststellen müssen, dass diese nicht Ihrer Detailplanung entsprachen. Dass die Bleche eine zu geringe Zinkschichtdichte hatten und damit eine weitere potenzielle Schadensursache vorlag, spielt dabei keine Rolle. Auch wenn die geringe Zinkdichte der Bleche ebenfalls zu einem Sachschaden geführt hätte, wäre der Schaden erst später und auch nicht in demselben Umfang entstanden.
Genauso wenig können Sie darauf abstellen, dass die Bleche von dem Bauherrn in Abweichung von der ursprünglichen Ausschreibung bestellt wurden und demnach nicht in Ihrem Einflussbereich lagen. Ein Architekt hat die korrekte Umsetzung seiner Planung zu kontrollieren und den Bau zu überwachen. Dabei wird die Überwachungspflicht auch nicht dadurch gemindert, dass der Architekt einen Teil der Arbeiten nicht selbst vergeben hat (vgl. BGH, NJW-RR 2000, 1468; OLG Saarbrücken, 2 U 5/14; OLG Stuttgart, 12 U 461/19). Wie auch vom OLG Saarbrücken in seiner Entscheidung vom 29.09.2020 (AZ: 2 U 5/14) bereits festgestellt, hat ein Architekt im Rahmen der Bauüberwachung und Bauleitung nicht nur seine eigenen, sondern auch die von anderen ausgeführten Leistungen zu beaufsichtigen und sicherzustellen, dass seine Planung detailgetreu umgesetzt wird.
Praxistipp
Der Architektenvertrag zeichnet sich dadurch aus, dass der Architekt eine Planungs- oder Überwachungsleistung verspricht, die als Grundlage für die Errichtung eines mangelfreien Bauwerks geeignet ist. Bei überwachungsintensiven Bauabschnitten wird eine erhöhte Aufmerksamkeit vorausgesetzt. Der bauüberwachende Architekt muss sich zwar nicht ständig auf der Baustelle aufhalten. Bei kritischen Baumaßnahmen, die erfahrungsgemäß ein höheres Mängelrisiko aufweisen, ist er jedoch zu einer intensiveren Wahrnehmung der Bauaufsicht verpflichtet.
Bei Vorliegen eines schwerwiegenden Mangels spricht ein Anscheinsbeweis für eine Verletzung der Bauüberwachungspflicht. In einem solchen Fall obliegt es dem Architekten, den Beweis des ersten Anscheins auszuräumen. Dies kann nur dadurch erfolgen, dass er seinerseits darlegt, alle gebotenen Überwachungsmaßnahmen mit der erforderlichen Intensität geleistet zu haben.
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