Pflichten bei technischer Abnahme
Sachverständiger S wendet sich mit folgender Frage an die Rechtsberatung der Architektenkammer NRW: „Von einem Bauträger wurde ich bei dem Umbau eines Hofs in eine Wohnungseigentumsanlage mit der technischen Abnahme zur Vorbereitung der Abnahme durch die Wohnungseigentümergemeinschaft (Erwerber) beauftragt. Der Bauträgervertrag sah die Beauftragung eines Bausachverständigen zur technischen Abnahme vor. Die Kosten der Beauftragung wurden hälftig vom Bauträger und Erwerber getragen. Feuchtigkeitsmessungen oder bauteilzerstörende bzw. sonstige vertiefte Untersuchungen wurden nicht vereinbart. Es gab keine Mängelrügen. Ich habe nach Begehung der Wohnanlage die Abnahmereife bescheinigt. Die Erwerber haben sodann die Abnahme erklärt und den Resterwerbspreis gezahlt. Nun sind bei der Wohnanlage Feuchtigkeitsschäden im Kellergeschoss aufgetaucht. Die Feuchtigkeit wäre bei einer Feuchtigkeitsmessung vermutlich aufgefallen. - Besteht die Gefahr, dass ich von dem Erwerber auf Schadenersatz in Anspruch genommen werde?“
Zwar kommt für Sie als Sachverständiger auch eine Haftung gegenüber dem Erwerber, der nicht Ihr Vertragspartner für die technische Abnahme war, in Betracht. Ihr Vertrag mit dem Bauträger hat insoweit Schutzwirkung zu Gunsten der Erwerber. Die technische Beauftragung diente zur Vorbereitung der rechtsgeschäftlichen Abnahme für den Bauträgervertrag durch die Erwerber. Ein Interesse an der Einbeziehung der Erwerber in den Schutzbereich liegt vor, weil der technischen Abnahme für die Erwerber im Hinblick auf die rechtsgeschäftliche Abnahme besondere Beweiskraft zukommt.
Die Erwerber vertrauen auf die Begehung und das erstellte Protokoll. Insoweit sind die Erwerber schutzbedürftig, obschon diese auch eigene vertragliche Ansprüche gegen den Bauträger haben. Die Schutzwirkung aus dem Vertrag soll nämlich nicht zuletzt einer etwaigen Insolvenz des Bauträgers entgegenwirken.
Diese Schutzwirkung des Vertrages und damit ein Schadensersatzanspruch gegen den Sachverständigen greift aber nur, wenn diesem eine Pflichtverletzung vorzuwerfen ist. Dies hat das OLG Frankfurt in einem vergleichbaren Fall verneint (OLG Frankfurt, Urteil vom 04.03.2022; AZ:21 U 44/20). Zur Begründung führt das OLG an, dass der Sachverständige lediglich die technische Abnahme, nicht aber die Herstellung des Werkes aus dem Bauträgervertrag schulde.
Er hat daher nach Auffassung des Gerichts nur für solche Mängel einzustehen, die er bei der Begehung hätte erkennen können und müssen, nicht aber für die sich erst nach der Abnahme herausstellende Mangelhaftigkeit des abzunehmenden Werks.
Soweit vertraglich keine Feuchtigkeitsmessungen sowie keine sonstigen vertieften Untersuchungen vereinbart worden waren und es auch keine Mängelrügen gab, scheidet demnach für Sie eine Haftung für nicht erkennbare Mängel bei der technischen Abnahme aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter aus.
Praxistipp
Sachverständige, die mit der technischen Abnahme einer Bauleistung beauftragt sind, haften – lediglich – für die Verletzung der übernommenen vertraglichen Pflichten. Es ist daher unbedingt wichtig, diese Pflichten vertraglich präzise zu vereinbaren. Die Einstandspflicht hängt schließlich von der vertraglich geschuldeten Prüfungsdichte ab. Sofern Feuchtigkeitsmessungen oder auch Bauteilöffnungen zu den Leistungspflichten gehören sollen, sollten diese explizit vereinbart, andernfalls jedoch klar ausgeschlossen werden.
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