Planer mit Vorgeschichte
Architektin A wendet sich mit folgender Frage an die Kammer: „Gerade für unser kleines Büro im ländlichen Raum ist es momentan schwierig, qualifizierte Mitarbeitende zu finden. Nun hat sich auf eine Stellenausschreibung ein ehemaliger Studienkollege bei mir beworben, der sich momentan in einer JVA im offenen Vollzug befindet. Er könnte tagsüber also einer Berufstätigkeit nachgehen und würde uns nach seiner bald anstehenden Haftentlassung ganz uneingeschränkt zur Verfügung stehen. Er verfügt über viel Erfahrung als angestellter Architekt. Allerdings beruht seine dreijährige Haftstrafe wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr (§§ 299, 300 StGB) wohl darauf, dass er in seiner früheren Position Rechnungen von Bauunternehmen ungeprüft freigegeben hat, sodass ein Bauherr unberechtigte Forderungen in beträchtlicher Höhe beglichen hat. Dafür soll T Geld von diesen Unternehmen bekommen haben. - Darf ich so jemanden überhaupt einstellen?“
Wenn Sie das möchten, dürfen Sie. Es sind aber Einschränkungen zu beachten.
So wäre zu klären, ob T noch bauvorlageberechtigt ist, da eine Verurteilung dieser Art in der Regel auch die Löschung aus der Architektenliste wegen Unzuverlässigkeit zur Folge haben wird. Solange T sich aber nicht als „Architekt“ bezeichnet und andere bauvorlageberechtigte Personen im Büro tätig sind, dürfte dies kein grundsätzliches Hindernis darstellen.
Es wären aber weitere Besonderheiten zu beachten. Sollte T nämlich in maßgeblicher Funktion im Kontext der Vergabe (LPH 7) oder der Rechnungsprüfung (LPH 8) tätig werden, müsste seine Vorgeschichte dem jeweiligen Auftraggeber vorab offenbart werden. Anderenfalls kann die entsprechende Beauftragung wegen arglistiger Täuschung anfechtbar sein. Das Kammergericht Berlin (KG) weist in seinem Urteil vom 13.01.2023 (AZ: 21 U 50/22) darauf hin, dass eine Pflicht zu ungefragter Aufklärung vor Vertragsschluss immer dann besteht, wenn es um eine Tatsache geht, die für die Willensbildung der anderen Seite offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung ist, sodass die Mitteilung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise erwartet werden durfte.
Eigene Vorstrafen oder die maßgeblich beteiligter Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter seien daher zu offenbaren, sofern sie befürchten lassen, dass eine Seite den Vertrag entweder nicht ordnungsgemäß erfüllen oder aber der Gegenseite durch die Verletzung von Nebenpflichten Schaden zufügen wird. Um dies annehmen zu können, müsse in der Vorstrafe ein Eignungsdefizit in einem Persönlichkeits- und Anforderungsbereich zum Ausdruck kommen, der für den in Rede stehenden Vertrag von Bedeutung ist.
Das hat das Kammergericht bei einem ähnlichen Fall bejaht, zugleich aber hervorgehoben, dass hiervon eine Tätigkeit der betreffenden Person in den rein planerischen LPH 1 bis 6 nicht betroffen sei, da die Verfehlung hiermit in keinem Zusammenhang stehe. Zudem sei selbst eine nach den genannten Kriterien an sich bedeutsame Verurteilung dann nicht offenbarungspflichtig, wenn diese gemäß § 53 Abs. 1 Bundeszentralregistergesetz nicht als Vorstrafe gilt (bspw. Geldstrafe bis zu 90 Tagessätze) oder bereits aus dem Register getilgt wurde.
Praxistipp:
Zur Vermeidung eigener Haftungsrisiken dürfte ggf. eine engmaschige Überwachung des Beschäftigten angebracht sein. Nicht zuletzt wegen des beschriebenen „Rückschlageffekts“ auf die Vertragsbeziehungen des Arbeitgebers mit Dritten kann übrigens eine entsprechende Offenbarungspflicht des Arbeitnehmers vor der Einstellung bestehen. Wird eine relevante Vorstrafe nicht offengelegt, kann dies u.U. die Anfechtung des Arbeitsvertrages rechtfertigen (vgl. BAG, Urteil vom 6.9.2012 – 2 AZR 270/11).
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