Rausgeekelt: Wann und wie kann der Architekt bzw. die Architektin ein Vertragsverhältnis vorzeitig beenden?
Architektin A wendet sich mit folgender Frage an die Rechtsberatung der Architektenkammer NRW:
„Für den Neubau eines Mehrfamilienhauses bin ich mit den LPh 1 bis 8 beauftragt worden. Der Bauherr entpuppt sich nun als äußerst schwierig. Wir kommen seit Monaten nicht über die Vorplanung hinaus, weil er immer neue Varianten verlangt, mich dazu bevorzugt nachts und sonntags mit Mails überschüttet und mir vermeintliche Fehler im bisherigen Planungsstand vorwirft, die er anhand Google-Recherchen meint, herausgefunden zu haben. Als ich ihm nun eine erste Abschlagsrechnung ankündigte, meinte er, ich hätte doch noch gar keine Leistung erbracht. Gerne würde ich die Zusammenarbeit beenden, aber mein Bauherr besteht auf Fortsetzung. - Gibt es für mich einen rechtssicheren Weg, aus dem Vertrag auszusteigen?“
Im Gegensatz zum Bauherrn steht dem Architekten kein freies Kündigungsrecht zu. Diese vermeintliche Ungleichheit wird dadurch kompensiert, dass der Bauherr bei freier Kündigung nicht nur die erbrachten Leistungen, sondern auch das weitere Honorar abzüglich ersparter Aufwendungen zu zahlen hat. Die Folgen einer freien Kündigung treffen ihn also ungleich härter als den gekündigten Architekten.
Problematisch bleibt dennoch, dass der Architekt seinerseits kaum eine Möglichkeit hat, aus einem einmal geschlossenen, langfristigen Vertrag wieder herauszukommen. Solange ihm kein Grund für eine außerordentliche Kündigung zur Seite steht, wie zum Beispiel beleidigende Äußerungen durch den Bauherrn, ist er in der Regel auf eine einvernehmliche Vertragsbeendigung durch einen Aufhebungsvertrag angewiesen. Ist ein solcher nicht zu erreichen, kann unter Umständen das Verlangen nach einer „Bauhandwerkersicherheit“ gem. § 650f BGB n.F. einen Ausweg bieten. Hiernach hat der Bauherr dem Architekten auf Aufforderung eine Sicherheit, üblicherweise in Form einer Bürgschaft, für den zu erwartenden Honoraranspruch zu stellen.
Die Sicherheit kann schon vor Baubeginn und folglich auch von demjenigen Architekten verlangt werden, der ausschließlich mit Planungs-, aber nicht mit Ausführungsaufgaben befasst ist (vgl. OLG Naumburg NZBau 2014, 364). Die Höhe der zu stellenden Sicherheit bemisst sich nach dem zu erwartenden, noch offenen Vergütungsanspruch, wie er sich aus dem Vertrag und etwaigen nachträglichen Zusatzaufträgen ergibt. Stellt der Bauherr die Sicherheit trotz Aufforderung mit Fristsetzung nicht, kann der Architekt das Vertragsverhältnis kündigen. Ihm steht in diesem Fall, ähnlich wie bei einer freien Kündigung seitens des Bauherrn, das Honorar für die erbrachten Leistungen und – abzüglich ersparter Aufwendungen – auch für die weiteren Leistungen zu.
Welche Frist zur Sicherheitsleistung angemessen ist, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls (BGH, Urteil vom 23.11.2017 – VII ZR 34/15). Zumeist werden zwei Wochen aber als ausreichend anzusehen sein. Dass der Architekt das Sicherungsverlangen womöglich auch als Druckmittel einsetzt oder mit dem Hintergedanken, so vielleicht eine Kündigungsmöglichkeit zu erlangen, macht das Verlangen im Übrigen nicht unzulässig, wie der Bundesgerichtshof jüngst klargestellt hat (BGH, a.a.O.).
Praxistipp: Das Sicherungsverlangen kann einen Weg zur Kündigung eröffnen, sofern die Formalien beachtet werden (vgl. AKNW-Praxishinweis Nr. 20) und der Bauherr die Sicherheit nicht rechtzeitig stellt. Nicht selten führt eine solche Aufforderung übrigens dazu, dass der Bauherr seinerseits den Vertrag kündigt, weil er sich in seiner Ehre getroffen fühlt – zu Unrecht, denn der Anspruch auf die Sicherheit ist nichts anderes als der Ausgleich für das Vorleistungsrisiko des Architekten.Unabhängig hiervon gilt: Wer zu Beginn des Vertragsverhältnisses unsicher ist, ob eine tragfähige Basis für eine Zusammenarbeit besteht, sollte in Erwägung ziehen, zunächst nur einen Vorplanungsvertrag abzuschließen. Dann nämlich kann der Planer später frei entscheiden, ob er sich noch weiterbeauftragen lässt.
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