Schlüssige Abnahme einer Planerleistung
Architektin A wendet sich an die Architektenkammer NRW mit der folgenden Frage: „Anlässlich der Errichtung eines Einfamilienhauses habe ich mit einem privaten Bauherrn einen Architektenvertrag über die Leistungsphasen 1 bis 8 geschlossen. Nachdem der Bauherr vor circa acht Monaten in das fertiggestellte EFH eingezogen ist, habe ich Schlussrechnung gelegt. Zu einem Rechnungsausgleich ist es bisher noch nicht gekommen. Der Bauherr argumentiert, meine Leistung sei noch nicht abgenommen und die Rechnung daher nicht fällig. Stimmt das?“
Die Fälligkeit der Schlussrechnung setzt gemäß § 15 Satz 1 HOAI i.V.m. § 650 g Abs. 4 BGB die Abnahme der Leistung und die Überreichung einer prüffähigen Rechnung voraus. Eine ausdrückliche Abnahme ist nicht zwingend erforderlich; eine „bloß“ konkludente Abnahme reicht ebenso aus wie eine fiktive Abnahme im Sinne von § 640 Abs. 2 BGB.
Eine konkludente Abnahme liegt vor, wenn dem Verhalten des Auftraggebers zu entnehmen ist, dass er die Leistung als im Wesentlichen vertragsgerecht billigt (OLG Celle, Urteil vom 2.08.2023 – 14 U 200/19 unter Berufung auf BGH, Urteil vom 25.02.2010 – VII ZR 64/09). Der Auftragnehmer muss aufgrund des Verhaltens des Auftraggebers annehmen dürfen, dass aus Sicht des Auftraggebers das Werk im Wesentlichen mängelfrei hergestellt ist, weil sich z. B. Mängel noch nicht gezeigt haben, und er durch sein Verhalten die Billigung des Werkes zum Ausdruck gebracht hat.
Auf einen Abnahmewillen kann regelmäßig nur geschlossen werden, wenn der Auftraggeber Gelegenheit hatte, die Beschaffenheit des Werkes ausreichend zu prüfen. Die Dauer der Prüfungs- und Bewertungsfrist hängt vom Einzelfall ab und wird von der allgemeinen Verkehrserwartung bestimmt (BGH, Urteil vom 20.09.1984 – VII ZR 377/83). Die konkludente Abnahme einer Architektenleistung kann darin liegen, dass der Besteller nach Fertigstellung der Leistung und nach Ablauf einer angemessenen Prüffrist nach Bezug des fertiggestellten Bauwerks keine Mängel der Architektenleistung rügt (BGH, Urteil vom 11.03.1982, VII ZR 377/83). Der BGH geht bei einem Einfamilienhaus von einer ca. sechsmonatigen Prüfungsfrist aus.
Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung geht in dem von der Architektin A geschilderten Fall der Hinweis des Bauherrn auf die angeblich fehlende Abnahme fehl, sofern in den ersten sechs Monaten seit Einzug keine Mängel gerügt worden sind. Ob im Einzelfall eine konkludente Abnahme vorliegt, hängt aber stets von den konkreten Umständen ab. Grundsätzlich wird man immer eine tatsächliche Abnahmereife der Leistung fordern müssen, d. h. der Auftragnehmer darf das Verhalten des Bauherrn nur dann als eine Billigung seiner Leistung verstehen, wenn seine Leistung vollendet und im Wesentlichen auch mangelfrei ist.
Die Vollendung des Werks ist jedoch nicht ausnahmslos Voraussetzung für eine konkludente Abnahme. Im Einzelfall kann das Verhalten des Auftraggebers ausnahmsweise auch dann als eine Billigung der erbrachten Leistung als im Wesentlichen vertragsgerecht verstanden werden, wenn die Leistung tatsächlich Mängel hat oder noch nicht vollständig fertiggestellt ist (BGH, Urteil vom 20.02.2014 – VII ZR 26/12).
Eine Teilabnahme kann ebenfalls konkludent erklärt werden. Bevor der Gesetzgeber mit § 650 s BGB dem Planer unter gewissen Voraussetzungen ein gesetzliches Recht auf Teilabnahme nach der LPH 8 eingeräumt hat, sollte dies nur möglich sein, wenn die Parteien im Vertrag das Recht auf Teilabnahme vereinbart hatten (vgl. etwa OLG Stuttgart, Urteil vom 11.12.2018 – 12 U 91/18). Noch ist es höchstrichterlich nicht entschieden, ob dem „neuen“ gesetzlichen Recht insoweit die gleiche Wirkung wie dem vertraglichen Recht auf Teilabnahme beizumessen ist, als dass der Planer nunmehr nach Abschluss der LPH 8 das Verhalten des Bauherrn (z. B. Unterlassen von Mängelrügen für einen Zeitraum von ca. sechs Monaten ab Einzug) als eine Billigung der bis dahin erbrachten (Teil-)Planerleistung verstehen darf. Zum Teil wird zusätzlich vorab noch ein ausdrückliches Teilabnahmeverlangen des Architekten verlangt, um eine entsprechende Billigung des Bauherrn annehmen zu können (BeckOK BauvertragsR/Preussner, § 650 Rz. 63).
Praxistipp
Will der Planer sich später ggf. auf eine konkludente Teilabnahme berufen können, ist er u. U. gut beraten, den Bauherrn in Anwendung des § 650 s BGB konkret zur Teilabnahme aufzufordern. Ohnehin sollte der Planer in den allermeisten Fällen – sowohl bei der Voll- als auch bei der Teilabnahme – auf eine ausdrückliche Abnahme drängen, um die mit dem Konstrukt der konkludenten Abnahme einhergehende Rechtsunsicherheit zu vermeiden.
Teilen via