Spielraum beim Zeithonorar?
Architekt A wendet sich mit folgender Frage an die Rechtsberatung der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen:
„Im vergangenen Jahr hat mich ein Bauherr mit dem Umbau eines Gebäudes beauftragt. Für einzelne Leistungen, zum Beispiel die Bestandsaufnahme, hatte ich mit dem Bauherrn vertraglich ein Honorar auf Stundenlohnbasis vereinbart. Nachdem ich meine Leistungen Anfang dieses Jahres erfolgreich abschließen konnte, habe ich neulich, entsprechend der vertraglichen Vereinbarung, meine Schlussrechnung aufgestellt.
Mit der Höhe meiner Schlussrechnung ist der Bauherr nun aber nicht einverstanden. Dabei bemängelt er ausschließlich die Abrechnung der nach Zeitaufwand abgerechneten Leistungen. Er behauptet, ich hätte ‚nicht wirtschaftlich‘ gearbeitet und insgesamt zu viele Stunden abgerechnet. Ich frage mich jetzt, wie ich mich in dieser Situation am besten verhalten sollte. Was meinen Anspruch angeht, mache ich mir allerdings weniger Sorgen: Ich habe mal gelesen, dass einem Architekten bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit seiner Leistungserbringung immer ein 20-prozentiger Spielraum zuzubilligen ist. Das stimmt doch, oder?“
Das kommt darauf an! Das OLG Hamburg hat in seiner Entscheidung vom 19.12.2013 (Az. 6 U 34/11) für die Erbringung von Stundenlohnarbeiten einer Architektin tatsächlich einen gewissen Spielraum zugestanden. Gegenstand des vom OLG behandelten Falles war die Honorarforderung einer Architektin gegenüber ihrem Bauherrn, von dem sie mit dem Umbau eines Anwesens beauftragt worden war. Ein Teil der Honorarschlussrechnung der Architektin entfiel auf eine vertragsgemäß ausgeführte Bestandsaufnahme, die sie nach Zeitaufwand abgerechnet hatte. Zugrunde lagen dabei 61,25 Stunden für das Aufmaß und 140,25 Stunden, die für die Fertigung von CAD-Zeichnungen aufgewandt worden waren, was die Architektin im Einzelnen noch spezifiziert hatte. Ein vom Gericht eingeholtes Sachverständigengutachten kam jedoch zu dem Ergebnis, dass allenfalls 80 Stunden für die Erstellung der Zeichnungen erforderlich gewesen wären. Das OLG legte der Abrechnung der CAD-Zeichnungen im Ergebnis 96 Stunde zugrunde.
Das Gericht führt in seiner Entscheidung aus, dass bei der Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung eines Unternehmers zu berücksichtigen sei, dass dem Unternehmer ein Spielraum bei der Organisation seines Betriebs und der Durchführung des konkreten Auftrages zuzubilligen sei. Der Aufwand des Unternehmers sei nicht schon deshalb pflichtwidrig unwirtschaftlich, weil er über die vom Sachverständigen für erforderlich erachteten Arbeitsstunden hinausgehe.
Wie groß dieser Spielraum sei, also inwieweit der Unternehmer den objektiv erforderlichen Zeitaufwand beanstandungsfrei überschreiten darf, sei eine vom Gericht unter Hinzuziehung des Sachverständigen im Einzelfall zu beantwortende Tatfrage. (Vgl. BGH, Urteil vom 17.4.2009, Az. VII ZR 164/07).
In dem konkreten Fall hat das Gericht einen Spielraum von 20 Prozent angenommen. Dabei hat es berücksichtigt, dass es sich bei dem Büro der betreffenden Architektin um ein kleines Büro handelte, bei dem weniger als in größeren Büros mit einer Spezialisierung und damit auch vergleichsweise schnellen und routinierten Bearbeitung jeder Teilaufgabe gerechnet werden könne.
Praxistipp
Der in der Entscheidung des OLG zugestandene Spielraum von 20 Prozent kann nicht verallgemeinert werden, denn das Gericht hat diesen anhand der konkreten Umstände geschätzt. Die Größe des Spielraums wird also stets eine Frage des Einzelfalls sein.
Wirft ein Bauherr seinem Architekten vor, er habe zu viele Stunden abgerechnet und erhebt damit den so genannten „Vorwurf der unwirtschaftlichen Leistungsausführung“, stellt sich die Frage nach einem Spielraum aber regelmäßig erst im zweiten Schritt. Der erste Schritt in einem solchen Fall erfordert ein Tätigwerden des Architekten: Er muss seine Abrechnung weiter spezifizieren!
Dazu wird es grundsätzlich ausreichend sein, wenn der Architekt darstellt, wie viele Stunden er für die Erreichung einzelner Vertragsziele aufwenden musste. Erst dann, wenn sich der Auftraggeber auch mit dieser Aufstellung nicht zufrieden gibt, würde ein mit der Angelegenheit befasstes Gericht einen Sachverständigen zur Klärung der Frage einschalten, ob die aufgewendeten Stunden tatsächlich mit dem Gebot wirtschaftlicher Betriebsführung vereinbar sind.
Weitere Hinweise hierzu sowie zur Ermittlung eines auskömmlichen Stundensatzes erhält der <link file:21927 download file>Praxishinweis PH45 „Zeithonorare aus juristischer und betriebswirtschaftlicher Sicht" (PDF).
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