Strafe vorbehalten

18. Juni 2019von Dr. Sven Kerkhoff

Architekt A wendet sich mit folgender Frage an die Rechtsberatung der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen: „Die Ausführung eines Bauvorhabens, bei dem mir die Bauüberwachung übertragen war, gestaltete sich mühsam, weil der Rohbauer trotz mehrfacher Mahnung nicht genug Personal auf die Baustelle gebracht und daher den vereinbarten Fertigstellungstermin nicht eingehalten hat. Dadurch ist der gesamte Zeitplan durcheinandergeraten. Der Rohbau an sich wurde aber schließlich mangelfrei ausgeführt. Nun verlangt der Unternehmer die Abnahme seiner Leistung. - Kann ich diese meinem Bauherrn ohne weiteres empfehlen?“ 

Das kommt darauf an. Je nach Ausgestaltung des Bauvertrages bedarf es unter Umständen eines zusätzlichen Hinweises.  

Der Rohbauer ist mit seiner Leistung in Verzug geraten. Unabhängig davon, ob der Bauvertrag als BGB- oder als VOB/B-Vertrag geschlossen wurde, können hieraus zum einen Schadensersatzansprüche resultieren. Diese gehen durch eine vorbehaltlose Abnahmeerklärung nicht verloren, sind aber oft schwer zu realisieren, da der Nachweis, welche Verzögerung des Gesamtprojekts letztendlich auf den Verzug des Rohbauers zurückzuführen ist und welche wirtschaftlichen Nachteile dem Bauherrn hieraus entstehen, kompliziert ist. Aus diesem Grund werden Bauverträge, die feste Terminvorgaben beinhalten, häufig zusätzlich mit der Vereinbarung einer Vertragsstrafe für den Fall nicht oder nicht rechtzeitig erbrachter Leistung versehen. 

Aber: Eine solche Vertragsstrafe kann nur realisiert werden, wenn sich der Bauherr dieses Recht bei der Abnahme (nicht vorher und nicht nachher) ausdrücklich vorbehält, § 341 Abs. 3 BGB/§ 11 Abs. 4 VOB/B. Zumeist wird ein solcher Vorbehalt im Abnahmeprotokoll vermerkt, das der Unternehmer gegenzeichnet und so die Kenntnisnahme vom Vorbehalt bestätigt; ein Anerkenntnis des Vertragsstrafenanspruchs liegt darin übrigens nicht. Der Architekt selbst kann den Vorbehalt hingegen in der Regel nicht wirksam für den Bauherrn erklären, da seine übliche Vollmacht diese Berechtigung ebenso wenig umfasst wie etwa die Befugnis zur rechtsgeschäftlichen Abnahme der Werkleistung (vgl. Werner/Pastor, Der Bauprozess, 16. Aufl., Rz. 1346).  

Umstritten ist, ob er verpflichtet ist, seinen Bauherrn stattdessen auf die Notwendigkeit des Vertragsstrafenvorbehalts hinzuweisen. Man kann dies bezweifeln, da es sich um eine stark rechtsberatend gefärbte Tätigkeit handelt. Dennoch tendieren viele Gerichte – jüngst das Kammergericht Berlin – zu der Annahme, dass eine Hinweispflicht des Architekten jedenfalls dann besteht, wenn dieser die Vertragsstrafenklausel kennt und der Bauherr seinerseits ersichtlich nicht hinreichend sachkundig ist (vgl. KG, Urteil vom 28.08.2018 – 21 U 24/16; OLG Bremen, Urteil vom 06.12.2012 – 3 U 16/11; Koeble, in: Locher/Koeble/Frik, HOAI, 13. Aufl., Rz. 256 zu § 34; a.A. Seifert/Fuchs, in: Fuchs/Berger/Seifert, Beck´scher HOAI- und Architektenrechtskommentar, Rz. 333 zu § 34).  

Unterbleibt der Hinweis, drohen dem Architekten nach dieser Rechtsprechung folglich Schadensersatzansprüche des Bauherrn wegen der entgangenen Vertragsstrafe. Ist der Bauherr der ohne zusätzlichen Hinweis ausgesprochenen Zahlungsempfehlung des Architekten ohne eigene Plausibilitätsprüfung gefolgt, kann hierin im Einzelfall allerdings ein anspruchsminderndes Mitverschulden liegen (vgl. KG a.a.O.). 

Praxistipp 

Wenngleich die Hinweispflicht umstritten ist, sollten Architekten, sofern ihnen eine Vertragsstrafenklausel bekannt ist, ihren Bauherrn vorsorglich auf die Notwendigkeit des Vorbehalts aufmerksam machen - insbesondere wenn es sich beim Bauherrn um einen Laien handelt. Die Ausgestaltung von Vertragsstrafenregelungen oder die Prüfung des Vertragsstrafenanspruchs nach Grund und Höhe ist hingegen nicht Architekten-, sondern Anwaltsaufgabe.  

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