Umfang der Beauftragung
Architektin A wendet sich an die Architektenkammer NRW mit der folgenden Frage:„Der Bauherr hat mich mit der Erwirkung einer Baugenehmigung beauftragt. Die Genehmigung ist inzwischen erteilt, und ich habe die LPH 1-4 in Rechnung gestellt. Der Bauherr ist der Auffassung, dass mir nur das Honorar für die LPH 4 zustehe, da er mir gemeinsam mit der Beauftragung eine Bestandszeichnung überreicht habe und von mir daher nur die Genehmigungsplanung zu erbringen gewesen sei. Meiner Meinung nach verkennt er, dass eine Genehmigungsplanung ohne die vorherigen Leistungsphasen gar nicht erfolgreich durchgeführt werden kann und dass daher die Beauftragung mit der Erwirkung bzw. Beschaffung einer Baugenehmigung immer auch die LPH 1-3 umfasst?“
Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 6. Juli 2007 – VII ZR 157/06 entschieden, dass die Beauftragung mit der Genehmigungsplanung nicht „in der Regel“ bedeute, dass die Leistungen der Leistungsphasen 1-4 erbracht werden sollen. Der Umstand, dass eine Leistungsphase eine den weiteren Leistungsphasen notwendig vorangehenden Entwicklungsschritt darstelle, rechtfertige noch nicht die Annahme, dass die Beauftragung mit einer bestimmten Leistungsphase auch die vorherigen Leistungsphasen umfasse. Umfang und Inhalt der Beauftragung eines Planers bemessen sich nicht nach den Leistungsbildern und Systematik der HOAI, sondern nach dem Inhalt des zwischen den Parteien geschlossenen Werkvertrages.
Die Entscheidung des BGH wurde im Anschluss zu Recht von der Rechtsprechung dahingehend verstanden, dass der Bundesgerichtshof lediglich einen Automatismus ausschließen wollte und dass bei Beauftragung mit der Genehmigungsplanung oder aber der Einholung/Beschaffung/Erwirkung einer Baugenehmigung im Normalfall durchaus die Annahme gerechtfertigt ist, dass die Parteien nicht nur die Erbringung der Genehmigungsplanung, sondern auch die „systematisch vorangehenden Überlegungen und Planungsschritte der Grundlagenermittlung, Vor- und Entwurfsplanung entsprechend der Leistungsphasen 1 bis 3“ haben vereinbaren wollen (OLG Karlsruhe, Urt. vom 28.10.2022, AZ 4 U 142/20 – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch BGH, Beschluss vom 14.02.2024 – VII ZR 221/22). Dazu sei allerdings nicht entscheidend auf die Leistungsbilder der HOAI, sondern auf den Willen der Parteien bei Vertragsschluss abzustellen.
„Etwas Anderes“ (OLG Karlsruhe, a.a.O) solle nur dann gelten, wenn die Leistungsphasen 1-3 „bereits ausreichend von einem anderen Architekten bearbeitet“ worden seien und „der neue Architekt auf dessen Grundlage mit der Leistungsphase 4 beauftragt“ werde (LG München, Urteil vom 31.01.2017 – 5 O 21198/75; ähnlich OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17.02.2010 – 8 U 143/09). Die planerische Vorleistung des Dritten muss eine „ausreichende Grundlage für die Genehmigungsplanung“ darstellen, es darf sich nicht lediglich um „Grundrisse eines Fertighausbetreibers aus dem Internet“ (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17.02.2010 – 8 U 143/09), vom Bauherrn erstellte „Skizzen der gewünschten Bebauung“ (BGH, a.a.O.) oder eine Bestandszeichnung des ersten Architekten (OLG Karlsruhe, a.a.O.) handeln.
Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung dürfte im Ausgangsfall die Architektin A Anspruch auf die Honorierung der LPH 1-4 haben. Der Verweis des Bauherrn auf die Existenz einer Bestandszeichnung greift nicht durch. Entgegen der Auffassung der Architektin umfasst die Beauftragung der Erwirkung bzw. der Beschaffung einer Baugenehmigung allerdings nicht „immer“ auch die LPH 1-3, sondern es muss in jedem Einzelfall der Willen der Beteiligten eruiert werden. Sofern keine relevante Vorleistung eines Dritten oder des Bauherrn vorliegt, ergibt die Auslegung in den meisten Fällen aber auch eine Beauftragung mit den LPH 1-3.
Praxishinweis
Um Probleme beim Nachweis des Umfanges der Beauftragung zu vermeiden, sollte der Planer stets auf einer schriftlichen Fixierung der Beauftragung und einer konkreten Umschreibung des Leistungsumfanges bestehen. Ist eine entsprechende ausdrückliche Vereinbarung unterblieben, dann sollte seitens des Planers dargestellt werden, dass der Auftraggeber bei Beauftragung mit der „Einholung/Beschaffung/Erwirkung“ einer Baugenehmigung regelmäßig nicht in den Leistungsphasen der HOAI denke, sondern den Planer mit allen für die Erlangung der Baugenehmigung erforderlichen Leistungen beauftragen möchte, und dass dies von ihm - also aus Sicht des Empfängerhorizonts des Planes – auch so verstanden worden sei.
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