Wärmedämmung an eigenständiger Außenwand

16. April 2013von Christiane Terhardt, 15.04.2013

Architekt A wendet sich mit folgender Anfrage an die Rechtsabteilung der AKNW:

„Ich wurde von meinem Bauherrn beauftragt, eine Außenwärmedämmung am Giebel seines Hauses anzubringen. Als die Nachbarn meines Bauherrn bemerkten, dass die Dämmung auf das Dach ihres Hauses überragte, widersprachen sie dem Überbau und setzten ihren Beseitigungsanspruch gerichtlich durch. Die von meinem Bauherrn eingelegte Klage blieb erfolglos. Wie ist der neu eingeführte § 23 a) Nachbarrechtsgesetz NRW, der die Durchführung von Wärmedämmungsmaßnahmen gerade erleichtern soll, im Hinblick auf die Nachbarrechte zu werten?“

Entscheidend ist, ob der Nachbar zur Duldung des Überbaus verpflichtet ist. In Ihrem Fall hat das Landgericht Essen (Urteil vom 22.11.2012, AZ 10 S 56/11) die Auffassung vertreten, dass keine Duldungspflicht der Nachbarn besteht.

Insbesondere aus § 23 und § 23 a) Nachbarrechtsgesetz NRW (NachbG NRW) ergeben sich keine Duldungspflichten. § 23 NachbG NRW ist nach Ansicht des Gerichts schon deshalb nicht anwendbar, weil die Dämmung mit dem Dach baulich verbunden ist. Die Vorschrift erfasse aber nur solche Bauteile, die in den Luftraum des Nachbargrundstücks übergreifen wie beispielsweise Dachrinnen, Vorsprünge oder Simse.
Der im Jahr 2011 neu eingeführte § 23 a) NachbG NRW, wonach Nachbarn unter bestimmten Voraussetzungen zur Duldung von Maßnahmen der Wärmedämmung verpflichtet sind, wenn die anzubringende Wärmedämmung auf ihr Grundstück hinausragt, findet nach Ansicht des Gerichts ebenfalls keine Anwendung. Denn § 23 a) NachbG NRW setze voraus, dass die Maßnahme der Wärmedämmung dient, nicht über die Bauteileanforderung der Energieeinsparverordnung hinausgeht, eine vergleichbare Wärmedämmung auf andere Weise mit vertretbarem Aufwand nicht vorgenommen werden kann und die Bebauung die Benutzung des Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Das Vorliegen dieser engen Voraussetzungen sah das Gericht nicht als gegeben an.

Der Einwand, dass eine Innendämmung möglicherweise mit einem unverhältnismäßigen Kostenaufwand verbunden sei, ließ das Gericht nicht gelten, weil die Inanspruchnahme eines fremden Grundstücks grundsätzlich nicht dazu dienen kann, Aufwendungen zu ersparen, die sonst notwendig sind. Eine Außendämmung sei deshalb nicht zulässig gewesen.

Eine Duldungspflicht ergibt sich auch nicht aus §§ 922, 921 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), da es sich bei der hier in Rede stehenden Mauer nicht um eine (wie von § 921 BGB vorausgesetzt) „gemeinsame Giebelwand“ handelt, sondern beide Gebäude um eine jeweils eigenständige Außenwand verfügen. Ferner ist die Wär-medämmung im Rahmen von Modernisierungsmaßnahmen über die Grenze gebaut worden und nicht, wie § 921 BGB voraussetzt, bei der Errichtung des Gebäudes. Auch eine Duldungspflicht aus einem „nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis“ wird aufgrund des Ausnahmecharakters dieses Grundsatzes ebenfalls verneint.

Praxisempfehlung

Diese Entscheidung des Landgerichts Essen zeigt deutlich, dass die neuen Regelungen des Nachbarrechtsgesetzes sorgfältig zu überprüfen sind, damit es nicht zu erheblichen Nachteilen für Bauherren und Architekten kommt. Es ist dringend anzuraten, vor Umsetzung von derartigen Außendämmungsmaßnahmen zunächst Kontakt mit den Nachbarn aufzunehmen, um eine gütliche Einigung zu erzielen.
Bei einer möglicherweise entstehenden politischen Diskussion, ob die entsprechenden Eingriffsrechte zur Verbesserung des Klimaschutzes noch verschärft werden müssten, werden möglicherweise verfas-sungsrechtliche Bedenken entstehen.

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