Wann werden Toleranzen zugestanden? Wann ist der maßgebende Zeitpunkt zur Feststellung des Schadens bei falschen Kostenermittlungen?

18. Juni 2018von September 1996

BGH:
Toleranzen werden bei Kostenermittlungen durch den Architekten nicht für grobe Fehler, wie vergessene Mehrwertsteuer oder gänzlich unrealistische Kubikmeterpreise, zugestanden. Der Schluß der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung ist der maßgebliche Zeitpunkt für die Schadensberechnung bei falscher Kostenermittlung durch den Architekten.

Aus dem Sachverhalt:

Der Kläger hatte die Architekten mit den Architektenleistungen für den Neubau eines Wohnhauses mit Garage beauftragt. Die Beklagten haben eine Kostenschätzung über 330.000,-- DM vorgelegt, die ganz erheblich zu niedrig war, weil die Mehrwertsteuer vernachlässigt und ein unrealistischer Kubikmeterpreis zugrunde gelegt worden war. Um einen Teil der höheren Kosten ausgleichen zu können, hat der Kläger Kredite aufgenommen. Er macht einen Teil der Baukosten, Zinsen und Disagio als Schaden geltend.

Das Oberlandesgericht hat die Architekten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 56.265,26 DM und Zinsen zu bezahlen. Außerdem hatten die Architekten für weiteren Schaden des Klägers aus der Fehlschätzung zu haften.

Der BGH hob das Urteil des OLG auf.

In den Gründen heißt es zunächst zur falschen Kostenschätzung:

Mit der vorgelegten Kostenschätzung haben die Architekten in grober Weise ihre vertraglichen Pflichten verletzt. Toleranzen können ihnen in diesem Zusammenhang nicht zugute kommen. Toleranzen werden jedenfalls nicht für grobe Fehler wie die vergessene Mehrwertsteuer und unrealistische Kubikmeterpreise zugestanden.

Zum Schaden führt der BGH u. a. aus:Der Kläger hat keinen Schaden erlitten. Seine bei der Schadensermittlung zu berücksichtigenden Vorteile aus seinen über die Kostenschätzung hinausgehenden finanziellen Aufwendungen sind mindestens ebenso hoch, wie diese Aufwendungen.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die im Rahmen des Vorteilsausgleichs vorzunehmende Bestimmung der Werterhöhung durch zusätzliche Aufwendungen ist wie auch sonst bei der Ermittlung eines Schadens der Schluß der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung.

Im übrigen enthält der Vorteilsausgleich ein hinreichendes Korrektiv. Die Grundsätze des Vorteilsausgleichs sind aus Treu und Glauben entwickelt worden. Dementsprechend findet ein Vorteilsausgleich dort seine Grenze, wo das Ergebnis dem Zweck des Ersatzanspruchs zuwiderläuft, das heißt dem Geschädigten nicht mehr zuzumuten ist und den Schädiger unangemessen entlastet.

Bei Schluß der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung am 18.10.1994 hatte das Haus des Klägers einen so hohen Wert, daß bei Berücksichtigung aller Vorteile ein Schaden des Klägers nicht zu erkennen ist.

Der vollständige Vorteilsausgleich ist dem Kläger auch zuzumuten und entlastet die Architekten nicht unbillig. Der Kläger hat eben jenes Haus mit allen Besonderheiten bekommen, das seiner Vorstellung entsprach. Nach Auffassung des gerichtlich bestellten Sachverständigen ist das Haus auch ausgesprochen kostengünstig hergestellt worden. Ferner hat der Kläger nicht im einzelnen dargetan, daß er die finanziellen Lasten nicht tragen könne. Die Architekten andererseits haben zwar einen Fehler gemacht, dem Kläger aber das gewünschte Haus zu einem guten Preis errichtet.

Da im Ergebnis kein Schaden entstanden ist, kommt es nicht darauf an, ob die zusätzlichen Aufwendungen des Klägers überhaupt durch die fehlerhafte Kostenschätzung der Architekten verursacht worden sind. Danach ist auch für die Feststellung, daß die Beklagten auch für künftige Zinsen einzustehen hätten, kein Raum.

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