Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt
Architektin A wendet sich mit folgender Frage an die Kammer: "Ich habe an einem von der Stadt X durchgeführten Verfahren zur Vergabe von Planungsleistungen teilgenommen. Verlangt war nicht nur die Vorlage einer Ideenskizze, sondern auch die Einreichung diverser Berechnungen und im Einzelnen vorgeschriebener Visualisierungen. Laut Ausschreibung sollte als Entschädigung ein Pauschalbetrag von 2.000 Euro gezahlt werden. Diese Summe deckt natürlich nicht ansatzweise den erforderlichen Arbeitsaufwand, zumal teilweise Leistungen zu erbringen waren, die ich der LPH 1 und 2 zuordnen würde. Hierauf habe ich den Auftraggeber auch hingewiesen, der aber an den entsprechenden Vorgaben festgehalten hat. Ich habe schließlich dennoch an der Ausschreibung teilgenommen, den Auftrag jedoch leider nicht erhalten. Steht mir nun nicht wenigstens das Mindesthonorar nach HOAI für die Leistungen zu, die ich im Vergabeverfahren erbracht habe?"
Leider nein! Zwar müssen Planer Leistungen im Vergabeverfahren nicht kostenlos oder zu einem unangemessen niedrigen Preis erbringen. So legt § 77 Abs. 2 Vergabeverordnung (VgV), vormals § 13 Abs. 3 VOF, fest, dass ein Auftraggeber, der den Bewerbern die Ausarbeitung von Plänen, Entwürfen oder Berechnungen abverlangt, eine "angemessene Vergütung" zu gewähren hat. Für umfangreiche Lösungsvorschläge sah zudem § 20 Abs. 3 VOF bislang vor, dass diese "nach den Honorarbestimmungen der HOAI zu vergüten" sind (zu den Details vgl. Motzke, NZBau 2016, 603 ff.).
Im geschilderten Fall, in dem kein Lösungsvorschlag, sondern eher eine punktuelle Planungsleistung (vgl. LG München, VergabeR 2013, 649) verlangt worden sein dürfte, wurde gegen § 77 Abs. 2 VgV bzw. § 13 Abs. 3 VOF verstoßen. Die festgesetzte Aufwandspauschale erscheint nämlich – wie so häufig – unangemessen niedrig. Ein zusätzlicher, einklagbarer Vergütungsanspruch folgt hieraus aber nicht, denn der BGH (Urteil vom 19. April 2016 – X ZR 77/14) hat entschieden: Wer sich durch Abgabe eines Angebots auf die vom Auftraggeber festgeschriebenen Regularien einlässt, ist hieran gebunden. Das Mindesthonorar nach HOAI kann schon deshalb nicht verlangt werden, weil durch die Teilnahme am Vergabeverfahren noch kein Architektenvertrag zustande kommt. Auch die genannten vergaberechtlichen Regelungen zur Sicherung einer angemessenen Vergütung taugen nach Auffassung des BGH nicht als Grundlage für zusätzliche Zahlungsansprüche. Ihre Verletzung könne, so die Richter, vielmehr ausschließlich durch Rüge gegenüber dem Auftraggeber und ein sich ggf. anschließendes Vergabenachprüfungsverfahren vor den Vergabekammern geltend gemacht werden. Nur auf diesem Wege nämlich könne der Auftraggeber zur Korrektur der Ausschreibung bewegt und somit letztlich die Gleichbehandlung aller Bieter sichergestellt werden.
Praxistipp
Interessenten sollten stets genau darauf achten, welche Leistungen von ihnen im Vergabeverfahren verlangt werden und ob die hierfür vorgesehene Vergütung angemessen erscheint. Ist das nicht der Fall, sollte dieser Umstand dem Auftraggeber gegenüber ausdrücklich gerügt werden. Hilft dieser der Rüge nicht ab, kann binnen 15 Kalendertagen nach Erhalt der Nichtabhilfenachricht das Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer beantragt werden. Stellt sich im Zuge der Rüge oder der Nachprüfung heraus, dass die vorgesehene Pauschale nicht auskömmlich ist, kann der Auftraggeber hierauf allerdings nicht nur mit einer Heraufsetzung der Pauschale reagieren, sondern auch mit der Herabsetzung des Anforderungskatalogs.
Das angesprochene Urteil betrifft im Übrigen nicht die Fälle der sogenannten Mehrfachbeauftragung. Hierbei schließt der Auftraggeber parallel mit sämtlichen beteiligten Büros Verträge ab. Umfassen diese Verträge Grundleistungen im Sinne der HOAI, sind die Mindestsätze zwingend einzuhalten und ggf. auch einklagbar.
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