Wer trägt das Genehmigungsrisiko?
Architektin A wendet sich an die Architektenkammer mit der folgenden Frage: "Ein Bauherr hatte mich anlässlich der Planung und Errichtung von 10 Doppelhaushälften mit den LPH 1-4 beauftragt. Während der Bearbeitung wies ich ihn mehrmals darauf hin, dass der Bebauungsplan "eigentlich" nur die Bebauung mit drei Vierer-Blocks, nicht aber mit 10 Doppelhaushälften zulasse und dass man daher auf eine „Ausnahmegenehmigung“ (=Befreiung) hoffen müsse. Diese wurde aber nicht erteilt, und der Bauherr verlangt nun von mir den Ersatz unnötiger Planungskosten. Zu Recht?”
In einer vergleichbaren Konstellation hat das OLG Köln in einem Beschluss vom 01.09.2022 - 16 U 20/21 - entschieden, dass der Bauherr Schadenersatz von der Architektin verlangen kann. Dass der Bauherr um die Risikohaftigkeit des Projektes und auch des Antrags auf Genehmigung von zehn Doppelhaushälften wusste, stehe einem Anspruch auf Ersatz unnötiger Planungskosten nicht entgegen. Zwar könnten die Parteien eines Planervertrages eine Risikoübernahme durch den Bauherrn vereinbaren, jedoch liege diese nicht bereits dann vor, wenn der Bauherr nachweislich von dem Planer über das Risiko informiert worden sei und im Anschluss weder das Projekt gestoppt noch Änderungen angeordnet habe. Die bloße Kenntnis des Genehmigungsrisikos führe noch zu keiner Haftungsfreistellung des Planers. Eine Berufung hat das OLG nicht zugelassen; mit Beschluss vom 07.09.2022 - VV ZR 849/21 - hat der BGH die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen.
Diese Entscheidung zeigt wieder einmal, wie “anspruchsvoll” eine wirksame Haftungsfreistellung ist. Eine vertragliche Risikoübernahme seitens des Bauherrn setzt regelmäßig voraus, dass der Architekt den Auftraggeber umfassend über das bestehende und wirtschaftliche Risiko aufklärt und belehrt sowie dass der Auftraggeber sich sodann auf einen derartigen Risikoausschluss rechtsgeschäftlich einlässt (BGH, Urt. vom 10.02.2011 - VII ZR 8/10 – Rz 22). Als Ausnahme-Tatbestand trägt der Architekt die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Umstände der vertraglichen Risikoübernahme (vgl. u.a. Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher-Koeble, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl. 2020, 11. Teil Rz. 781).
Praxistipp
Planerinnen und Planer sollten stets möglichst viel Zeit und Mühe auf die Vereinbarung eines vertraglichen Risikoausschlusses verwenden. Es ist erforderlich, den Bauherrn vollumfänglich über das Genehmigungsrisiko und mögliche - auch wirtschaftliche - Auswirkungen auf das Projekt zu informieren. Dazu muss der Architekt den Bauherrn auf das eigene Wissensniveau heben und ihn in die Lage versetzen, das Risiko der Fortsetzung des Projektes in allen seinen Facetten zu erfassen. Aus Beweisgründen sollte die Aufklärung ebenso wie die Einverständniserklärung des Bauherrn immer schriftlich erfolgen. Auf bloß mündliche “Versprechungen” des Bauherrn, die “ausbleibende” Genehmigung dem Architekten später nicht vorzuwerfen, sollten sich Planerinnen und Planer niemals verlassen. Unverständnis der Bauherren über das formale Vorgehen sollte man mit Verweis auf die hohen Ansprüche der Rechtsprechung an die Wirksamkeit einer Haftungsfreistellung begegnen. Ist die Vereinbarung einer wirksamen Haftungsfreistellung versäumt worden, dann steht dem Planer regelmäßig ein Nachbesserungsrecht zu. In dem vom OLG Köln entschiedenen Fall hatte der Auftraggeber zuvor erfolglos eine Frist zur Nachbesserung gesetzt, so dass die Voraussetzungen des sekundären Gewährleistungsanspruches – hier Schadenersatzanspruch gem. §§ 634 Nr. 4, 280, 281, 249 BGB – nach Auffassung des Gerichts gegeben waren.
Die Frage nach den Anforderungen an eine Haftungsfreistellung bzw. vertragliche Risikoübernahme durch den Bauherrn stellt sich auch, wenn der Bauherr vom Architekten eine Abweichung von den anerkannten Regeln der Technik verlangt. Wie man sich in dieser ähnlichen Interessenlage als Planer richtig verhält, wird in dem Praxishinweis 25 erläutert.
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