Neue Zahlen zum „Gender Pay Gap“ in der Architektur: Gründe sind vielzählig, doch die Ungleichheit bleibt
In allen Architekturfachrichtungen steigt in den jüngeren Jahrgängen der Anteil der Frauen. Der Beruf wird weiblicher. Doch Chancengleichheit bleibt eine Baustelle. Eine aktuelle Gehaltsstudie der Bundesarchitektenkammer macht deutlich, dass Architektinnen in Führungspositionen unterrepräsentiert sind. Nach wie vor zeigen sich zudem Gehaltsunterschiede zwischen Architektinnen und Architekten auch bei vergleichbarem Berufsumfeld und vergleichbarer Position im Unternehmen.
Die aktuelle Sonderauswertung „Geschlechtsspezifische Gehaltsunterschiede bei angestellten Kammermitgliedern“ zeigt, dass systematische Gehaltsunterschiede zwischen Architektinnen und Architekten bestehen. Betrachtet wurden angestellt tätige Architektinnen und Architekten aller Fachrichtungen sowie Stadtplanerinnen und Stadtplaner. Als Datenbasis diente die bundesweite Strukturbefragung aller Kammermitglieder der Länder im Jahr 2020. Die Gehaltsvergleiche basieren auf den Angaben von 9.355 Personen zu ihren Gehältern im Jahr 2019.
Beim Vergleich der Bruttojahresgehälter aller befragten angestellten Kammermitglieder ergibt sich eine Gehaltslücke von 26% zwischen weiblichen und männlichen Kammermitgliedern (unbereinigter Gender-Pay-Gap). Bei Berücksichtigung lohnbestimmender Einflussfaktoren wie dem zeitlichen Arbeitsumfang, der Berufserfahrung, der Position im Unternehmen sowie der Art und Größe des Arbeitgebers ergibt sich der sog. „bereinigte Gender-Pay-Gap“. Die Gehaltslücke konkretisiert sich dann beim Stundenlohn je nach betrachteter Teilgruppe und ist durchaus uneinheitlich: So verdienen junge Frauen in leitender Tätigkeit in mittleren Büros durchschnittlich etwa 2% mehr als ihre männlichen Kollegen. Bei mehr Berufserfahrung zeigt sich ein anderes Bild: Insbesondere in kleinen Büros und in Büros mit über 50 Mitarbeitenden beträgt die Gehaltslücke von Frauen in leitender Tätigkeit im Durchschnitt 13% gegenüber Männern in vergleichbarer Position.
Die Sonderauswertung analysiert den Gender-Pay-Gap differenziert nach zeitlichem Umfang der Tätigkeit, Art des Arbeitgebers, Berufserfahrung, Größe des Büros und Position im Unternehmen.
- Teilzeittätigkeit: Frauen sind deutlich häufiger als Männer teilzeittätig mit Folgen für das Jahresgehalt. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, wurden im Folgenden Stundenlöhne statt Jahresgehälter verglichen. Die Gehaltslücke zwischen Männern und Frauen liegt bei dieser Art der Betrachtung bei 17%: Während angestellte Architekten 2019 im Mittel 33 € pro Stunde erhielten, waren es bei den Architektinnen 28 €.
- Art des Arbeitgebers: Frauen sind häufiger als Männer in Architektur- und Stadtplanungsbüros angestellt, während Männer überdurchschnittlich häufig in der gewerblichen Wirtschaft tätig sind. Dies erklärt einen Teil der Gehaltslücke, da in der gewerblichen Wirtschaft im Mittel deutlich höhere Stundenlöhne gezahlt werden als in Architektur- und Stadtplanungsbüros (39 € gegenüber 26 €).
- Dauer der Berufserfahrung: Nicht nur im öffentlichen Dienst, sondern auch in der Privatwirtschaft wirkt sich die Dauer der Berufstätigkeit auf das Gehalt aus. Die weiblichen Angestellten sind im Schnitt jünger als ihre männlichen Kollegen und unterbrechen zudem häufiger ihre berufliche Tätigkeit (z.B. für Kindererziehungszeiten). So verfügen sie über weniger Berufsjahre, was gleichbedeutend mit niedrigeren Gehältern ist.
- Größe des Büros: Weibliche Angestellte sind überdurchschnittlich häufig in kleinen Architektur- / Stadtplanungsbüros (< 10 Beschäftigte) tätig, während Männer häufiger in größeren Büros tätig sind. Da in kleineren Büros im Mittel geringere Stundenlöhne gezahlt werden als in größeren, erklärt auch die Bürogröße einen Teil der Gehaltslücke zwischen Architektinnen und Architekten.
- Position im Unternehmen: Frauen sind deutlich seltener als Männer in leitender Funktion angestellt. Dieses Ergebnis ist weder mit dem höheren Anteil teilzeittätiger Frauen, noch mit der geringeren Berufserfahrung weiblicher Angestellter noch damit zu erklären, dass Frauen häufiger in kleineren Büros (und damit in Büros mit weniger Aufstiegsmöglichkeiten) tätig sind als Männer. Selbst bei ausschließlicher Betrachtung vollzeittätiger Angestellter mit vergleichbarer Berufserfahrung in Büros ähnlicher Größe zeigt sich, dass Frauen überdurchschnittlich häufig in weisungsgebundenen Positionen tätig sind, während Männer überproportional häufig leitende Tätigkeiten ausüben, die mit höheren Stundenlöhnen einhergehen.
Die tiefgehende statistische Analyse zeigt, dass es am Arbeitsmarkt für Architektinnen und Architekten auch dann eine Gehaltslücke gibt, wenn sich Frauen und Männer in lohnrelevanten Merkmalen wie Arbeitsumfang, Berufserfahrung, Größe und Art des Arbeitgebers sowie Position im Unternehmen nicht unterscheiden. Zwar erweist sich die Gehaltslücke als deutlich geringer, als sie bei einem bloßen Blick auf die Jahresgehälter erscheint und liegt etwa auf dem Niveau, das 2020 branchenübergreifend in der Verdienststrukturerhebung des Statistischen Bundesamt errechnet wurde. Gleichwohl handelt es sich hierbei um ein Indiz für mangelnde Gleichbehandlung.
Besonderes Augenmerk verdient in Zukunft zudem die Frage, weshalb angestellte Architektinnen überdurchschnittlich häufig immer dort anzutreffen sind, wo die im Vergleich geringeren Stundenlöhne gezahlt werden, in kleineren Büros und seltener in Führungspositionen.
Die Sonderauswertung „Genderspezifische Gehaltsunterschiede bei angestellten Kammermitgliedern“ steht auf www.bak.de zum Download zur Verfügung.
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